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Das Lebensmittelangebot ist so vielfältig wie nie zuvor. Dennoch schränken viele Menschen ihre Lebensmittelauswahl ein. Dr. Margareta Büning-Fesel erklärt im Interview den Widerspruch.

Eine Schüssel mit gemischtem Salat steht auf einem Holztisch
Fotolia.com/Rido

Zu keiner Zeit gab es so ein großes Angebot an Lebensmitteln. Da müsste es doch ein Leichtes sein, sich ausgewogen und gesundheitsförderlich zu ernähren. Tatsächlich sind immer mehr Menschen übergewichtig und ernährungsmitbedingte Erkrankungen weit verbreitet. Wie passt das zusammen?

Das Angebot an Lebensmitteln war noch nie so vielfältig und gleichzeitig gab es noch nie so sichere Lebensmittel wie heute. Doch gerade in diesem Schlaraffenland fällt vielen die Auswahl besonders schwer. Scheinbar haben die Menschen ihr natürliches Verhältnis zu Lebensmitteln verloren. Was tut mir gut und was nicht? Was braucht mein Körper? Das Gefühl hierfür scheint bei einigen zu fehlen.

Stattdessen existiert eher Verunsicherung und die Angst, man könne sich beispielsweise durch Laktose oder Gluten schaden. Wenn mir ein Brot mit Gluten noch nie Probleme bereitet hat, warum soll ich es dann nicht mehr essen, nur weil Gluten drin enthalten ist?

Das Gleiche bei der Milch. Natürlich gibt es Personen, die Gluten tatsächlich nicht vertragen oder eine Milchzucker-Unverträglichkeit haben. Für diese Betroffenen ist es ein Segen, dass sich die Palette der gluten- oder laktosefreien Produkte in den letzten Jahren so stark ausgeweitet hat. Aber das sind nur wenige und es gibt viele, die diese Produkte essen, ohne dass sie es müssten.

 

Warum sind Ernährungstrends oder -ideologien – sei es die vegane Kost oder die Low-Carb-Bewegung – so beliebt?

Möglicherweise kommen sie so gut an, weil sie klare Regeln haben. Menschen erhalten so eine einfache Orientierungshilfe. Sie müssen „nur“ zwischen einem begrenzten Angebot auswählen und Entscheidungen werden ihnen abgenommen, da sie vorgegeben sind.

Aber für manche wird Essen durch solch strikte Regeln und Vorgaben auch zu einer Art Ersatzreligion. Ich kann dadurch meine politische oder gesellschaftliche Haltung ausdrücken und mich von anderen abgrenzen. Dahinter stecken natürlich auch kommerzielle Interessen. Wenn man die Regale mit veganen Lebensmitteln anschaut und sieht, wie viele Produkte hier tierische Lebensmittel nachbauen, dann wird schnell klar, welches Marktpotenzial sich dahinter verbirgt.

 

Aber pflanzenbetone Ernährungsformen wie bei der vegetarischen Kost sind doch grundsätzlich empfehlenswert, oder?

Ja, eine bewusste Entscheidung dafür, mehr pflanzliche Lebensmittel zu essen, ist auf jeden Fall positiv. Mit pflanzenbetonten Ernährungsformen, die bevorzugt aus Gemüse und Obst, Hülsenfrüchten, Getreide und Nüssen bestehen, tun wir viel für unsere Gesundheit und gleichzeitig auch für die Gesundheit unseres Planeten, indem wir die begrenzten Ressourcen und das Klima schonen. Die Vielfalt des Lebensmittelangebotes kommt uns hier wieder zu Gute, so dass der Speiseplan bunt und abwechslungsreich bleibt.

 

Aktuell sind Verbraucherinnen und Verbraucher mit rasant steigenden Lebensmittelpreisen konfrontiert. Können wir uns eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung überhaupt noch leisten?

Die Entwicklungen bei den Lebensmittelpreisen sind inzwischen in der Tat nicht nur für Haushalte mit geringem Einkommen dramatisch. Um nur einen Aspekt aufzugreifen: Wer sich selber aus einfachen Grundnahrungsmitteln leckere Mahlzeiten zubereiten kann, der ist klar im Vorteil, auch mit Blick auf die Kosten

Aber es mangelt vielfach an Ernährungskompetenz. Manche wissen nicht, wie man beispielsweise bestimmte Gemüsearten zubereitet, wie Lebensmittel richtig gelagert werden, damit sie nicht vorzeitig verderben oder wie man Reste geschickt verwerten kann. Normalerweise erfolgt die Vermittlung solcher Kompetenzen in der Familie, aber auch in der Schule. Hier setzen wir beispielsweise mit dem Ernährungsführerschein an, bei dem Kinder in der Grundschule lernen, mit Lebensmitteln umzugehen und sie zuzubereiten.

 

Was empfehlen Sie Verbraucherinnen und Verbrauchern für ihren Essalltag?

Wir sollten wieder unserem Grundgefühl vertrauen, mehr auf den eigenen Körper hören und lernen zu reflektieren, was uns schmeckt und uns wirklich guttut. Und indem wir die Hoheit über das eigene Essen wieder mehr selber in die Hand nehmen und es öfter selber zubereiten. Dazu brauchen wir keine rigiden Regeln und keine Einteilung in gesunde oder ungesunde Lebensmittel. Entscheidend ist, wie viel ich wovon esse. Der Genuss darf dabei natürlich nicht zu kurz kommen. Ernährungsempfehlungen geben lediglich einen Orientierungsrahmen vor und überlassen jedem Einzelnen selbst die Verantwortung, zu entscheiden, was gut für ihn ist.

Menschen sind aber auch dankbar dafür, wenn sie Unterstützung bei der Auswahl und Verfügbarkeit von Lebensmittel-Optionen bekommen, von denen sie sehr bewusst mehr (oder weniger) essen möchten. Wer also bewusst mehr pflanzliche Lebensmittel oder mehr Vollkornprodukte essen möchte, freut sich über eine ansprechende und attraktive Auswahl z. B. indem die gewünschte Wahl etwas mehr in den Fokus gerückt wird und energiereiche „Extras“ z. B. in kleinen Portionen angeboten werden.

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