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Immer mehr Menschen wünschen sich eine artgerechte Nutztierhaltung. Wir verraten, welche Tierwohl-Label für Fleisch es gibt und welche Kriterien ihnen zugrunde liegen.

Schwein
Peter Meyer/BLE
  • Immer mehr Verbraucher*innen wünschen sich Fleisch von Tieren, die artgerecht gehalten wurden und deren Schlachtung möglichst schonend erfolgt ist.
  • Auf dem Markt gibt es bereits einige privatrechtliche Siegel und Label, die für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung stehen als gesetzlich gefordert ist.
  • Mit der staatlichen Tierwohlkennzeichnung startet eine verbindliche Einkaufshilfe zum Thema Tierwohl für Schweinefleisch.
  • Bio- oder Neuland-Fleisch ist bereits seit den 1990er Jahren eine gute Wahl für all diejenigen, die beim Fleischeinkauf auf hohe Tierwohlstandards achten wollen.

Der Fleischkonsum in Deutschland geht zurück, und auch in Sachen Tierwohl hat ein Umdenken stattgefunden: Deutlich mehr als die Hälfte der Verbraucher*innen wünschten sich schon im BMEL-Ernährungsreport 2020 Fleisch und Fleischprodukte von Tieren, die artgerecht gehalten und möglichst schonend geschlachtet wurden. Dafür sind viele bereit, deutlich mehr zu bezahlen. Und rund 80 Prozent wünschen sich ein staatliches Tierwohllabel als Einkaufshilfe.

Artgerechte Haltung und Tierwohl – was bedeutet das?

Die Begriffe „aus artgerechter Haltung“ und „Tierwohl“ sind gesetzlich nicht geschützt. Sie dürfen verwendet werden, solange sie nicht irreführend sind. Für die Nutztierhaltung gilt ein gesetzlicher Mindeststandard zum Tierschutz. Dieser regelt unter anderem den Platzbedarf, die Fütterung und Pflege der Tiere und macht außerdem Vorgaben zur medizinischen Behandlung, zum Transport und zur Schlachtung der Tiere. Die Regelungen zielen darauf ab, dass Nutztiere ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden und ihnen unnötiges Leid erspart bleibt. Auch sollen Umweltbelastungen vermieden werden.

Seit langem wird von vielen Seiten die Kritik geäußert, dass die gesetzlichen Anforderungen an den Schutz von Nutztieren unzureichend sind. Aufnahmen aus Ställen von gequälten Legehennen und Mastschweinen dokumentieren Missstände, die Verbraucher*innen verunsichern.

Haltungsform-Kennzeichnung des Handels

Seit Frühjahr 2019 gibt es für frisches unverarbeitetes sowie gewürztes oder mariniertes Fleisch der Tierarten Schwein, Rind und Geflügel die sogenannte Haltungsform-Kennzeichnung. Das vierstufige System wurde von acht Ketten des Lebensmitteleinzelhandels entwickelt, um Verbraucher*innen die Information beim Einkauf zu erleichtern. Es versteht sich nicht als eigenes Label, sondern ordnet bestehende Programme zum Tierwohl in die Stufen 1 bis 4 ein. Aber Achtung: Anders als bei der gesetzlich verpflichtenden Eierkennzeichnung (Haltung der Legehennen) steht die Haltungsform 1 dabei für den niedrigsten Standard, der nahezu den gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht. Die Stufe 4 ist die höchstmögliche Wertung – beispielsweise Bio-Fleisch gehört dazu. Aber auch konventionelles Fleisch kann in dieser Stufe angeboten werden, sofern die Tierhaltung die beschriebenen Anforderungen erfüllt.

Die Verbraucherzentralen begrüßen einerseits die einheitliche Kennzeichnung als gute Orientierung beim Einkauf, andererseits bemängeln sie, dass das Angebot von Fleisch der Stufen 3 und 4 nach wie vor gering ist. Das ergaben Markchecks zur Entwicklung des Fleischangebotes in den acht Handelsketten. Ein erster Check wurde unmittelbar nach Einführung der Kennzeichnung durchgeführt, ein zweiter folgte im Herbst 2020. Danach betrug der Anteil von Fleisch der Stufen 3 und 4 insgesamt 13 Prozent. Mehr als die Hälfte des verpackten Fleischs stammte aus Haltungsform Stufe 1, rund ein Drittel aus Haltungsform 2. Eine echte Entscheidung für mehr Tierwohl biete der Handel folglich nicht, so das Urteil der Verbraucherzentralen. Das soll sich angeblich bald ändern: Zahlreiche große Handelsunternehmen wie Aldi, Edeka oder Lidl wollen in naher Zukunft kein Fleisch der Haltungsform 1 mehr anbieten, längerfristig sogar nur noch die Haltungsstufen 3 und 4.

Staatliche Tierwohlkennzeichnung

Im August 2023 ist das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz in Kraft getreten. Es regelt die Anwendung der neuen staatlichen Tierhaltungskennzeichnung. Diese verpflichtende Kennzeichnung soll für Transparenz und Klarheit in Bezug auf die Haltungsform von Tieren sorgen und Verbraucher*innen eine bewusste Kaufentscheidung erleichtern. Gleichzeitig können Landwirt*innen damit Leistungen für mehr Tierwohl sichtbar machen.

Das Gesetz gilt zunächst für frisches Schweinefleisch, das von in Deutschland gehaltenen, geschlachteten und verarbeiteten Tieren stammt. Eine Ausweitung auf verarbeitete Produkte sowie die Außer-Haus-Verpflegung ist für 2024 geplant. Danach sollen weitere Tierarten, Produkte und Vertriebswege folgen.

Fünf Haltungsformen werden unterschieden:

Stall: Die Haltung während der Mast erfolgt mindestens entsprechend der gesetzlichen Mindestanforderungen.

Stall+Platz: Den Schweinen steht mindestens 12,5 Prozent mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard zur Verfügung. Die Buchten müssen über Raufutter, das zusätzlich zum Beschäftigungsmaterial gegeben wird, verfügen und sind durch verschiedene Elemente strukturiert. Dies können zum Beispiel Trennwände, unterschiedliche Ebenen, verschiedene Temperatur- oder Lichtbereiche sein.

Frischluftstall: Das Außenklima in jeder Bucht hat einen wesentlichen Einfluss auf das Stallklima. Die Schweine haben jederzeit Zugang zu unterschiedlichen Klimabereichen.

Auslauf/Weide: Den Schweinen steht ganztägig ein Auslauf zur Verfügung bzw. sie werden in diesem Zeitraum im Freien ohne festes Stallgebäude gehalten. Der Auslauf darf für die erforderliche Dauer der Reinigung oder kurzzeitig, soweit dies im Einzelfall aus Gründen des Tierschutzes zwingend erforderlich ist, reduziert werden.

Bio: Die Tierhaltung entspricht den Anforderungen der EU-Ökoverordnung. Das bedeutet, die Schweine haben eine noch größere Auslauffläche und noch mehr Platz im Stall.

Fleisch aus artgerechter Tierhaltung gibt es längst

Höhere Tierwohlstandards gibt es schon lange, zum Beispiel bei Neuland- oder Bio-Fleisch, das nach der EU-Öko-Verordnung erzeugt wurde. Die Ökoverbände fordern in ihren Verbandsrichtlinien noch mehr für das Wohl der Nutztiere als das EU-Öko-Recht. Außerdem haben einige Initiativen, Vereine, der Handel und Erzeuger*innen eigene Tierwohl-Label oder Kundeninformationen entwickelt.

Neuland-Siegel

Das Neuland-Markenzeichen steht seit 1988 für eine besonders tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung. Am Programm teilnehmen können nur kleinere und mittlere Betriebe, denn es gibt Tierbestandsobergrenzen. Die Betriebe müssen außerdem strenge Kriterien, etwa zur Haltung, Fütterung und zum Transport der Nutztiere erfüllen. Wie bei Bio-Fleisch ist der Einsatz von Gentechnik beziehungsweise Antibiotika tabu. Neuland-Fleisch ist aber kein Bio-Fleisch.

 

Tierschutzbund "Für mehr Tierschutz"

Dieses Label wurde 2013 vom Deutschen Tierschutzbund eingeführt. Es kennzeichnet verschiedene Produkte tierischen Ursprungs: Fleisch verschiedener Tierarten, aber auch Eier und Milch. Der Tierschutzbund möchte mit seinem Tierschutzlabel nicht nur eine tierwohlorientierte Kaufentscheidung ermöglichen, sondern auch Entwicklungen zum Tierwohl anstoßen. Deshalb ist das Label zweistufig angelegt: Seine Premiumstufe signalisiert Tierwohlstandards, die ungefähr der der Bio-Erzeugung entsprechen, in Teilen aber darüber hinausgehen. Die Basisstufe soll Erzeugern*innen den ersten Schritt hin zu mehr Tierschutz erleichtern.

Initiative Tierwohl

Die Initiative Tierwohl ist 2015 als Förderprogramm für Tierwohl in der Geflügel- oder Schweinefleischerzeugung an den Start gegangen. Die Rindfleischerzeugung ist nicht erfasst. Teilnehmende Unternehmen des Handels, der Verarbeitung und der Gastronomie zahlen bestimmte Beträge an die Initiative, die diese an Fleischerzeuger*innen weiterleitet, die sich im Gegenzug verpflichten, definierte Tierwohlkriterien einzuhalten. Diese Anforderungen gehen über den gesetzlichen Standard hinaus, beziehen sich jedoch allein auf die Mast. Spezifische Kriterien für den Transport und die Schlachtung der Nutztiere gibt es nicht. Das Label steht oft in Verbindung mit der Haltungsform-Kennzeichnung des Handels auf dem Etikett.

 

Tier-Leasing – Fleisch vom Hof des Vertrauens

Beim Tier-Leasing erhalten Verbraucher*innen Fleisch aus artgerechter Tierhaltung, die sie selbst miterleben können. Das Prinzip ähnelt einer Patenschaft für ein Nutztier: Der Kunde kauft zunächst sein eigenes Ferkel oder Kalb und zahlt bis zu dessen Schlachtung ein monatliches Futtergeld. Die Versorgung des Tieres übernimmt der landwirtschaftliche Betrieb. Das geschlachtete Tier gehört später vollständig den Kund*innen. Der Landwirt wickelt in der Regel die Schlachtung und Zerlegung für die Kunden ab.

Angeboten wird dieses Konzept in der Regel nur von kleinen Bauernhöfen, oftmals handelt es sich um Bio-Höfe. Der Vorteil für Landwirt*innen liegt in der finanziellen Planbarkeit. Kund*innen wiederum können das Großwerden ihres Tieres jederzeit vor Ort verfolgen, sich persönlich von den Haltungsbedingungen überzeugen und den genauen Schlachttermin bestimmen. Der Kilopreis für das Fleisch ist oft nur geringfügig höher als das Fleisch aus dem Einzelhandel.

Lesen Sie passend zum Thema auch folgenden Artikel: Crowdbutching – Gemeinschaftliche Fleischbestellung beim Erzeuger

Fazit

Ein von den Verbraucher*innen mit großer Mehrheit gefordertes Tierwohl-Label, das verlässliche und transparente Kriterien für einen bewussten Einkauf von Fleisch und Fleischprodukten mitgibt, ist dringend notwendig. Bis die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung des BMEL für alle Tierarten, Produkte und Vertriebswege eingeführt ist, wird es wahrscheinlich noch einige Zeit dauern. Bis dahin gilt: Wer gezielt Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung kaufen möchte, muss sich selbstständig umfassend informieren und die Standards von Tierschutz-Siegeln kritisch vergleichen. Zudem ist Fleisch aus Betrieben mit artgerechter Tierhaltung bislang nur in wenigen Geschäften erhältlich. Es braucht also schon etwas Eigeninitiative, zum Beispiel eine Recherche im Internet, um direkt vermarktende Landwirtschaftsbetriebe zu finden.

Bis Verbraucher*innen an jeder Theke zwischen konventionell erzeugtem Fleisch und Fleisch aus artgerechter Tierhaltung frei wählen können, wird ebenfalls noch Zeit vergehen. Gefordert sind hier zum einen die Produzent*innen, die Nachfrage der Kundschaft nach artgerecht produziertem Fleisch zu bedienen. Zum anderen müssen Verbraucher*innen Informationen zur einfachen und umfassenden Orientierung beim Einkauf an die Hand gegeben werden. Ein erster Schritt war die einheitliche Haltungsform-Kennzeichnung des Handels. Was allerdings noch fehlt, ist ein entsprechendes Fleischangebot.  

Wer sich beim Einkauf von Fleisch für mehr Tierschutz einsetzen möchte, kann mit der bewussten Entscheidung für Bio- oder Neuland-Fleisch sowie für Fleisch aus Haltungsform Stufe 4 zeigen, dass alle Umfragen zu den kaufwilligen Verbraucher*innen nicht nur pure Theorie sind. Der deutlich höhere Preis lässt sich durch weniger Fleisch kompensieren – so wird zusätzlich die Umwelt geschützt.

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