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Palmöl steckt in fast jedem zweiten Supermarktprodukt. Die Ausbreitung der Plantagen aber gilt als Umweltkatastrophe. Der Agrarwissenschaftler Maximilian Meyer hat in Indonesien geforscht.

Blick auf eine große Palmölplantage
Maximilian Meyer
  • Palmöl steckt in jedem zweiten Supermarktprodukt, denn es ist günstig und hat viele Eigenschaften, die es zum idealen Rohstoff für Lebensmittel und Kosmetika machen.
  • Wegen der Rodung von Regenwäldern, hoher Treibhausgasemissionen, der Bedrohung und Vertreibung von Tierarten sowie der Missachtung von Landnutzungsrechten ist die Kritik an Palmöl groß.
  • Im Artikel erfahren Sie, welche Lösungsansätze für eine nachhaltige Palmölproduktion es gibt und wo wir in Deutschland gerade stehen.

Palmöl ist universell. Es steckt in Keksen, Lippenstift und auch in Biodiesel. Im Jahr 2017 erklärte der Journalist Wudan Yan die Pflanze zur meist gehassten Feldfrucht. Was ist dran an der Kritik? Und wer zahlt den „wahren Preis“ für den vielseitigen Rohstoff?

Verbreitung der Ölpalme

Palmöl wird aus den Früchten der Ölpalme (lat. Elaeis guineensis) gewonnen. Sie ist eine tropische Pflanze und eine nahe Verwandte der Kokospalme. Ihr Ursprung liegt in West- und Zentralafrika. Das zeigt sich auch in ihrem lateinischen Namen Guineensis – die Küste von Guinea stand hier Pate (Henderson & Osborne 2000). Auch heute noch ist die Pflanze in Afrika eine Nahrungs- und Erwerbsgrundlage für die lokale Bevölkerung und wichtiger Teil in der dortigen Landwirtschaft. Im 18. Jhd. wurde die Ölpalme nach Südostasien eingeführt. Hier ist sie mittlerweile am meisten verbreitet. Vier Palmen, die 1848 im Botanischen Garten Buitenzorg von Bogor, Indonesien gepflanzt wurden, stellten die erste Züchtungs- und Vermehrungsgrundlage dar.

Ein Grund für die rasante Verbreitung von Palmöl ist der unglaublich hohe Ertrag der Pflanzen. Ölpalmen werden für gewöhnlich in Form von Plantagen in Monokultur angepflanzt. Diese Plantagen können bis zu mehrere tausend Hektar umfassen und so ganze Landschaften prägen. Die Ernte erfolgt ganzjährig, in Intervallen von 1 bis 3 Wochen, der Ertrag ist immens: Von einem Hektar können bis zu 30 Tonnen der „Fresh Fruit Bunches“ geerntet werden. Diese Früchte tragenden Büschel liefern im Schnitt drei bis vier Tonnen Öl pro Hektar. Das ist bis zu 6-mal mehr Öl verglichen mit heimischem Raps oder Sonnenblumen. 85 Prozent des Palmöls wird heute in Malaysia und Indonesien produziert (FAO 2014).

Palmöl ist ein idealer Rohstoff – nicht nur in Lebensmitteln

Ein weiterer Grund für den Palmöl-Boom ist, dass es ein idealer Rohstoff für unzählige Produkte ist. Das gilt nicht nur für Nuss-Nougat-Cremes, Kekse und andere Lebensmittel. Es ist auch in Futter-, Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetika enthalten. Grund dafür ist eine Kombination verschiedener Eigenschaften, die den Rohstoff einzigartig machen: Die feste Konsistenz bei Zimmertemperatur macht eine chemische Härtung überflüssig. Geschmacksneutralität, Hitzestabilität und Haltbarkeit sind weitere Eigenschaften, die das Palmöl hervorragend für die verschiedensten Einsatzgebiete qualifiziert. Daher kann es auch nur bedingt durch andere Öle ersetzt werden.

Verbrauch von Palmöl für einzelne Konsumgüter bzw. Konsumgütergruppen in Deutschland

Nach den Ergebnissen der Marktstudie lag der Verbrauch von Palmöl in Deutschland im Jahr 2019 bei insgesamt 1,26 Millionen Tonnen . Davon waren 83 Prozent nachhaltig zertifiziert – 13 Prozent mehr als noch im Jahr 2013.

Im Bereich Lebensmittel wurden rund 249.000 Tonnen und für Futtermittel 150.000 Tonnen Palmöl verwendet. Der Anteil von nachhaltigem Palmöl hat sich seit dem Jahr 2013 für Lebensmittel von 61 auf 90 Prozent und für Futtermittel von 3 auf 25 Prozent erhöht. Zudem wurden im Lebensmittelbereich rund 30.000 Tonnen Palmkernöl konsumiert, von denen 88 Prozent nachhaltig zertifiziert waren (2013: 44 %). Die Anzahl der zertifizierten Unternehmen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.

Quelle: Forum Nachhaltiges Palmöl (FONAP)

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der den rasanten Vormarsch von Palmöl erklärt, ist der Preis, mit dem andere Speiseöle wie Sonnenblumen- oder Rapsöl konkurrieren müssen. Außerdem ist Palmöl auch in der bioenergetischen Verwendung, in Form von Biodiesel, wichtig und macht in diesem Bereich sogar den Großteil der verbrauchten Menge aus.

Palmöl in der Kritik

Die Kritik an Palmöl ist groß: Die Rodung von Regenwäldern, die Bedrohung und Vertreibung von Tierarten sowie die Missachtung von Landnutzungsrechten sind die Hauptaspekte der Debatte. Die Folgen der Rodungsarbeiten sind ein erhöhter Treibhausgasausstoß durch den Verlust CO2-bindender Biomasse. Durch den Verlust dieser Regenwälder wird außerdem die Biodiversität stark gefährdet, da biologisch wertvolle Habitate vieler Tiere in Agrarflächen umgewandelt werden und somit verschwinden.

Zusätzlich können unklare Landnutzungsrechte dazu führen, dass einflussreiche Konzerne ihre Macht ausnutzen und eigene Interessen durchsetzen, die somit auch den sozialen Aspekt in der Palmöl-Debatte befeuern.

Großkonzerne und Kleinbauern

Das schlechte Image der Ölpalme entstand sicherlich durch den massiven Anbau auf großen Plantagen durch Großkonzerne. Wenn man sich aber den Flächenverbrauch ansieht, dann ist er zu einem Großteil Kleinbauern zuzuschreiben. Zum Produktionsprozess von Palmöl durch eben diese Kleinbauern hat der Autor dieses Artikels im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Universität Bonn Interviews mit Kleinbauern geführt. Dafür war er 2017 in Zentral-Kalimantan unterwegs, das ist der indonesische Teil der Insel Borneo. Diese Insel ist bekannt für die unglaubliche Artenvielfalt und gigantische Regenwälder. Jedoch auch für Palmölplantagen und eine hohe Entwaldungsrate.

Für das Forschungsprojekt wurde die Palmölproduktion von Kleinbauern untersucht, um zu ermitteln, ob sich die Produktion für Kleinbauern überhaupt lohnt und ob sie auch aus Umweltsicht vertretbar ist. Kleinbauern produzieren 38 Prozent des Palmöls (Sheil at al. 2009). Palmöl macht bei vielen jedoch nur einen Teil ihres Einkommens aus – eine Art Zubrot neben anderen Produkten wie z. B. Ananas, Chili, Reis oder einem Beruf, dem sie nachgehen.

Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchungen war, dass sich der Anbau von Palmöl für einen Teil der Landwirte nicht lohnt. Die Erträge vieler Bauern sind zu niedrig, um die hohen Produktionskosten abzudecken. Außerdem sind die Palmöl-Preise niedriger, als sie es noch vor zehn Jahren waren.

Flächenverbrauch und Umweltschäden

Es gibt aber noch weitere Effekte des Palmöl-Anbaus, die sich nicht im Produktpreis niederschlagen. Wenn wir von wahren Kosten des Palmöls sprechen, geht es dabei um externe Effekte. Diese entstehen, wenn ein Akteur Produktions- oder Verbrauchsentscheidungen trifft, deren Auswirkungen jedoch nicht im Preis enthalten sind. Im Fall von Palmöl beispielsweise entstehen Treibhausgasemissionen durch Landnutzungswandel bei der Anlage der Plantage. Die gesellschaftlichen Kosten der Treibhausgase werden nicht in den Preis des Palmöls mit einberechnet. Würden diese internalisiert, d.h. mit in den Preis einberechnet (z.B. in Form von Emissionszertifikaten), dann müsste Palmöl deutlich teurer sein, als es jetzt ist.

Schätzt man nur die Kosten der Klimawirkungen, dann müsste der Preis von Palmöl um 25 Prozent höher liegen. Dies ist ein weiteres Ergebnis der oben erwähnten Studie über Palmöl-Produktionssysteme von Kleinbauern. Bei Etablierung von Plantagen auf Torfböden kann die Klimawirkung noch weitaus größer sein und die wahren Kosten des Palmöls in die Höhe treiben. Der Verlust von Biodiversität o.ä. wurde aufgrund der komplexen Berechnung nicht mit einbezogen, würde die Kosten aber noch zusätzlich steigern. Die gesellschaftlichen Kosten der Palmölproduktion sind also deutlich höher.

Potentielle Lösungsansätze

Wäre ein strikter Ersatz von Palmöl mit anderen tropischen oder heimischen Ölen sinnvoll? Könnten wir einfach gänzlich auf Palmöl in unserem Konsum verzichten und stattdessen z. B. nur Raps- oder Sonnenblumenöl essen? Hierzu hat der WWF Berechnungen angestellt, mit dem Ergebnis: Ein Ersatz von Palmöl löst das Problem nicht, er kann es sogar noch verschlimmern. Ein Grund dafür ist der hohe Ertrag von Palmöl pro Fläche. Soja und Kokos nutzen die gleichen, ökologisch sensiblen Regionen. Eine 1:1 Substitution von Palmöl hätte nach WWF-Berechnungen einen höheren Flächenverbrauch zur Folge. Gleiches gilt für Raps- und Sonnenblumenöl. Die Berechnungsbasis dieser Studie wird allerdings derzeit öffentlich in Frage gestellt. Eine abschließende Bewertung steht noch aus.

Ein Lösungsansatz ist die Zertifizierung von Plantagen. Hierbei werden u.a. Bauern zu Methoden verpflichtet, die den Produktionsprozess nachhaltiger gestalten sollen. Die wichtigsten Zertifizierungssysteme sind Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) sowie International Sustainability and Carbon Certification (ISCC).

Das ISCC ist vor allem für den Bioenergiesektor wichtig. Bei Bioenergie ist die Nachhaltigkeitszertifizierung gesetzlich vorgeschrieben, das heißt die gesamte Produktions- und Handelskette des Palmöls wird zertifiziert. Die Zertifizierung nach dem ISCC-Verfahren beginnt auf der Stufe der Ersterfasser. Das sind Händler, die die Ware von den Landwirten aufkaufen. Landwirtschaftliche Betriebe werden im Rahmen der Zertifizierung des Ersterfassers kontrolliert. Das bedeutet, sie müssen eine Selbsterklärung abgeben und werden auf Stichprobenbasis kontrolliert. Die Überwachung der Zertifizierungsstellen erfolgt durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

ISCC Prinzipien und Kriterien

  • Kein Biomasseanbau auf kohlenstoff- oder artenreichen Flächen,
  • Biomasseproduktion soll umweltschonend erfolgen,
  • Gewährleistung sicherer Arbeitsbedingungen,
  • Achtung der Menschen-, Arbeits- und Landrechte,
  • Einhaltung aller lokalen und internationalen Gesetze sowie
  • Anwendung guter Managementpraktiken.
     

Quelle: https://www.forumpalmoel.org/zertifizierung/zertifizierungsysteme

Palmöl, das in Lebensmitteln oder Kosmetika verarbeitet wird, gehört zum so genannten freiwilligen Markt. Hier lag der Anteil von nachhaltigem Palmöl im Jahr 2015 bei 47 Prozent.

RSPO Prinzipien und Kriterien

  • Keine Rodung von Primärwäldern und ökologisch wertvollen Waldflächen für Plantagen,
  • Schutz gefährdeter Tier- und Pflanzenarten auf der Plantage,
  • Schutz von Wasser, Boden und Luft (das bedeutet unter anderem: kein Abbrennen von Wald),
  • Einhaltung gesetzlicher Regelungen, darunter Landnutzungs- und Eigentumsrechte,
  • keine Kinderarbeit, dafür Bildungsangebote für die auf der Plantage lebenden Kinder,
  • Einbindung und Förderung von Kleinbauern sowie
  • Kontrolle der Plantagen durch unabhängige, autorisierte Prüfer.
     

Quelle: https://www.forumpalmoel.org/zertifizierung/zertifizierungsysteme

Ein kritischer Aspekt der Zertifizierungssysteme sind die Vergabekriterien. Das RSPO geht bislang nicht auf den Aspekt der Trockenlegung von Torfböden ein. Die Anlage von Palmölplantagen auf Torfböden gilt jedoch als besonders klimaschädlich.

Eine Zertifizierung wäre auch bei der kleinbäuerlichen Palmölproduktion sinnvoll, um eine nachhaltigere Produktion zu gewährleisten. Jedoch sind die meisten Kleinbauern nicht zertifiziert, da es einige Hürden zu überwinden gibt. Hierzu zählen unter anderem der Zugang zu Lieferketten und der kostenintensive Zertifizierungsprozess. Außerdem ist nach Beobachtungen der Forscher vielen Kleinbauern weder die Existenz von Zertifizierungssystemen noch deren Nutzen bekannt.

Was können Politik und Verbraucher noch tun?

Ein wichtiger Schritt zur nachhaltigen Palmölproduktion wäre daher die Einbeziehung aller Kosten: Der Preis

für Palmöl müsste auch die Kosten der Klimawirkungen und der Vernichtung von Biodiversität widerspiegeln. Auch soziale Kosten wären zu berücksichtigen, denkt man an die Verluste der Kleinbauern durch sinkende Weltmarktpreise. Das bedeutet zusätzlichen Einsatz hin zu einer gänzlich zertifizierten Wertschöpfungskette sowie weitere Anstrengungen, um Zertifizierungssysteme noch umweltfreundlicher und sozial verträglicher zu gestalten. Dies ist vornehmlich eine politische Aufgabe.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sie können auf Produkte mit Palmöl verzichten, denn in den Zutatenverzeichnissen von Lebensmitteln muss Palmöl aufgeschlüsselt werden. Bio-Palmöl ist durchaus eine Alternative. Es ist bis heute jedoch ein Nischen-Produkt. Eine bewusste Entscheidung für den Kauf von Produkten mit zertifiziertem Palmöl oder sogar Bio-Palmöl ist somit eine bewusste Entscheidung für einen nachhaltigeren Konsum. Wie auch bei anderen Bio-Produkten werden bei der Produktion von Bio-Palmöl kein synthetischer Dünger und keine Pestizide eingesetzt (WWF 2018).

Im Interview: Forum Nachhaltiges Palmöl (FONAP) – was wurde erreicht? (Kurzfassung)

Im Jahr 2013 wurde FONAP ins Leben gerufen. Hier engagieren sich über 50 Vertreter_innen der Industrie und des Handels, nichtstaatlicher Organisationen, aus Verbänden sowie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Seitdem hat sich viel getan, aber noch nicht genug, so die Einschätzung von Daniel May von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Er ist Generalsekretär des FONAP.

BZFE: Was hat FONAP bisher erreicht?

May: Vor gut 10 Jahren gab es praktisch kein nachhaltiges Palmöl auf dem deutschen Markt. Heute ist fast die Hälfte des Palmöls im so genannten freiwilligen Markt zertifiziert, also bei Lebensmitteln, Wäschepflege, Reinigungsmittel, Lacken, Farben, E-Zigaretten etc. Innerhalb der deutschen Industrie kann niemand mehr sagen, er habe von nachhaltigem Palmöl nichts gehört. Was sich auch verändert hat, ist, dass sich die Akteure in die Diskussion miteinander begeben. Wir bekommen diese Verbesserungen nur hin, wenn wir das gemeinsam machen, wenn wir im Vertrauen und im Dialog miteinander arbeiten. Das bedeutet, auch mal Kritik auszuhalten.

BZFE: Was muss verbessert werden?

May: Die Mitglieder des FONAP setzen sich für eine Verbesserung in mehreren Bereichen ein: Stopp des Anbaus auf Torfböden und anderen Flächen mit hohem Kohlenstoffgehalt, Stopp der Nutzung hochgefährlicher Pestizide, Anwendung strenger Reduktionsziele für Treibhausgase, zertifizierte Palmölmühlen sollen Rohware ausschließlich aus legalem Anbau beziehen und mehr Transparenz in Beschwerdeverfahren. Es geht aber auch um Sozialstandards zum Beispiel zur Ernährungssicherung von Kleinbauern. Unsere Forderungen werden voraussichtlich in das Zertifizierungsverfahren RSPO aufgenommen. Mitte November werden wir einen neuen Standard haben.

BZFE: Was haben Kleinbauern von den Zertifizierungssystemen? Ist es sinnvoll, sie ebenfalls einzubinden?

May: Meine Erfahrungen in Thailand haben gezeigt, dass der größte Nutzen für die Landwirte nicht unbedingt durch die Zertifizierung entsteht, sondern durch die bessere fachliche Praxis. In unserem Projekt ist das Einkommen von 412 Betrieben allein durch bessere Erträge um insgesamt eine Millionen Dollar pro Jahr gestiegen. Die Zertifizierung hat Ihnen weitere 100.000 Dollar gebracht. Die Herausforderung ist nun: Wie bekommt man in Indonesien eine Millionen Landwirte informiert? Auch dafür brauchen wir das FONAP, um eine stärkere Nachfrage zu generieren.

Das Interview führte Gesa Maschkowski, BZfE.

Eine Langfassung des Interviews finden Sie hier unter Hintergrund: Nachhaltiges Palmöl – wo stehen wir gerade in Deutschland?

Hintergrund: Nachhaltiges Palmöl – Wo stehen wir gerade in Deutschland? (Langfassung)

Interview mit Daniel May, Generalsekretär des Forums für Nachhaltiges Palmöl FONAP

Das Forum Nachhaltiges Palmöl, kurz FONAP wurde im Herbst 2013 ins Leben gerufen. Neben Vertreter_innen der Industrie und des Handels, sind auch nichtstaatliche Organisationen und Verbände und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beteiligt. Ziel des FONAP ist es, den Anteil nachhaltig erzeugten Palmöls auf dem deutschen, österreichischen und Schweizer Markt schnellstmöglich signifikant zu erhöhen und gleichzeitig existierende Standards und Zertifizierungen zu verbessern. Die Mitglieder verpflichten sich, nur noch zertifiziertes, nachhaltig produziertes Palmöl zu verwenden oder entsprechende Zertifikate nachzuweisen. Daniel May von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist Generalsekretär des FONAP. Er arbeitet seit über 10 Jahre an diesem Thema. Im Jahr 2012 hat er zusammen mit Landwirt_innen in Thailand die ersten Chargen nachhaltiges Palmöl auf den Markt gebracht. Seitdem hat sich viel getan, wenn auch noch nicht genug. 

Was hat FONAP bisher erreicht?

May: Vor gut 10 Jahren gab es praktisch kein nachhaltiges Palmöl auf dem deutschen Markt. Heute ist fast die Hälfte des Palmöls im so genannten freiwilligen Markt zertifiziert, also bei allen Produkten für die es keine gesetzlich vorgeschriebene Zertifizierung gibt. Dazu gehört Palmöl in Lebensmitteln, Wäschepflege, Reinigungsmittel, Lacken, Farben, E-Zigaretten.

Für mich ist es ein Erfolg, dass heute innerhalb der deutschen Industrie niemand mehr sagen kann, er habe von nachhaltigem Palmöl nichts gehört. Und dass wir in Deutschland eine differenzierte Diskussion haben. Es ist klar, es gibt nachhaltiges Palmöl und nicht nachhaltiges. Auch in den Produzentenländern sind unsere Forderungen angekommen. Keiner der größeren Palmölproduzenten kann ernsthaft behaupten, er habe davon nichts gehört.

Unsere Anforderungen geben wir an unsere Lieferanten weiter, die mit den Raffinierien sprechen. Diese wiederum müssen dann mit den Palmölproduzenten vor Ort ins Gespräch kommen. Das Ganze ist ein aufwändiger Aushandlungsprozess. Auf Herstellerebene und auch auf Verbraucherebene. Es muss geklärt werden, wer setzt das um? In welchen Zeiträumen? Mit welchen Übergangsfristen?

Was muss verbessert werden?

May: Wir erkennen vier Zertifizierungsverfahren an. Alle haben in Einzelbereichen Verbesserungsbedarf. Das RSPO-Verfahren beispielsweise ist das einzige, das transparent die Flächen ausweist, die zertifiziert sind. Die Mitglieder des FONAP setzen sich für eine Verbesserung in mehreren Bereichen ein:

  • Stopp des Anbaus auf Torfböden und anderen Flächen mit hohem Kohlenstoffgehalt,
  • Stopp der Nutzung hochgefährlicher Pestizide (Konventionen von Rotterdam und Stockholm, WHO 1a und 1b sowie Paraquat),
  • Anwendung strenger Reduktionsziele für Treibhausgase,
  • Sicherstellung, dass zertifizierte Palmölmühlen Rohware (Fresh Fruit Bunches) ausschließlich aus legalem Anbau beziehen,
  • mehr Transparenz in Beschwerdeverfahren.
  • Es geht aber auch um Sozialstandards, zum Beispiel wird voraussichtlich im überarbeiteten RSPO-Standard ein Indikator zum Thema Ernährungssicherung eingeführt. Der Anbau von Palmöl soll nicht dazu führen, dass die Ernährungssicherung der Menschen leidet. 

Unsere Forderungen haben dazu geführt, dass diese voraussichtlich in das Zertifizierungsverfahren RSPO aufgenommen werden, der gerade überarbeitet wird. Mitte November werden wir einen neuen Standard haben.

Was sich auch verändert hat, ist, dass sich die Akteure in die Diskussion miteinander begeben. Wir bekommen diese Verbesserungen nur hin, wenn wir das gemeinsam machen, wenn wir im Vertrauen und im Dialog miteinander arbeiten. Das bedeutet, auch mal Kritik auszuhalten.

Was das bedeuten kann, zeigt ein Vorfall im letzten Jahr. Eine Nichtregierungsorganisation (NGO) hat einen Konzern vor dem RSPO-Schiedsgericht verklagt wegen Verstoß gegen die Richtlinien des RSPO. So eine Klage ist gängige Praxis. Der RSPO hat dies geprüft und festgestellt, dass der Konzern tatsächlich wissentlich gegen mehrere Kriterien verstoßen hat. Es wurden beispielsweise schützenswerte Flächen umgewandelt. Der Konzern wurde vom RSPO suspendiert und hat in der Folge einen Schaden in Millionenhöhe erlitten. In 2017 haben sich nun ein Vertreter dieses Konzerns und der NGO gemeinsam auf ein Podium gesetzt und darüber gesprochen: „Was können wir tun, damit sich der Fehler nicht wiederholt und andere ihn auch nicht begehen?“

Für mich ist das ein Zeichen, dass die Partner in den Lieferketten kooperativ zusammenarbeiten. Das hat sich über die Jahre entwickelt. Früher war das sehr konfrontativ.

Wie sieht denn derzeit der globale Markt aus?

May: Zunächst einmal ist jedes zertifizierte Palmöl besser als ein nicht zertifiziertes. Derzeit sind aber erst 20 bis 25 Prozent der globalen Palmölproduktion zertifiziert. Der größte Markt ist die EU, die Hauptkonsumenten sind China und Indien. Die Hauptwachstumstreiber sind Nordamerika und Kanada. Große Konzerne wie Unilever und Nestle haben Verpflichtungen abgegeben nur noch zertifiziertes Palmöl einzusetzen. Das hat schon einen Effekt auf die Märkte.

Was haben Kleinbauern von den Zertifizierungssystemen? Ist es sinnvoll, sie ebenfalls einzubinden?

May: Die Einbindung von Kleinbauern ist ein wichtiges Thema, die Antwort ist aber nicht einfach. Die Herausforderung ist: Wie kommen die Millionen von Kleinbauern an das Wissen und das Know-how, um ihre Plantage nach guter fachlicher Praxis zu betreiben? Dazu gehören beispielsweise Erfahrungen im Düngemittelmanagement, im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln, beim Erntezeitpunkt, zur Erhaltung von Biodiversität, zur Vermeidung von Erosion oder auch zum Umgang mit Erntehelfern. Das braucht Trainingsmaßnahmen.

Meine Erfahrungen in Thailand haben gezeigt, dass der größte Nutzen für die Landwirte nicht unbedingt durch die Zertifizierung entsteht, sondern durch die bessere fachliche Praxis. In unserem Projekt ist das Einkommen von 412 Betrieben allein durch bessere Erträge um insgesamt eine Millionen Dollar pro Jahr gestiegen. Die Zertifizierung hat Ihnen weitere 100.000 Dollar gebracht. Die Herausforderung ist nun: Wie bekommt man in Indonesien eine Millionen Landwirte informiert? Auch dafür brauchen wir das FONAP, um eine stärkere Nachfrage zu generieren.

Das Interview führte Gesa Maschkowski, BZfE

Literaturquellen:

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