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In den vergangenen Jahrzehnten wurde ein stetiger Anstieg von Übergewicht und Fettleibigkeit in vielen Ländern der Europäischen Region beobachtet.

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In den vergangenen Jahrzehnten wurde ein stetiger Anstieg von Übergewicht und Fettleibigkeit in vielen Ländern der Europäischen Region beobachtet. Die besorgniserregende Statistik zeigt auf, dass in 46 Mitgliedsstaaten der Region mehr als 50 Prozent der Erwachsenen übergewichtig oder fettleibig sind und in mehreren Ländern der Anteil bei fast 70 Prozentliegt. Im Osten Deutschlands schließen die Zahlen der Kinder und Jugendlichen mit Übergewicht und Adipositas zu denen des Westens auf und haben sich in Teilen Osteuropas seit 1980 verdoppelt (WHO 2014).

Dies sind Ergebnisse aus dem „Europäischen Aktionsplan Nahrung und Ernährung (2015-2020)“, den die WHO auf ihrer Regionaltagung 2014 in Kopenhagen veröffentlicht hat. Der Plan zielt unter anderem auf eine gesunde Ernährung insbesonders bei Kindern und Jugendlichen (ebenda). Sie sollen so früh wie möglich lernen, sich gesund zu ernähren, da sich die Vorlieben für spezifische Lebensmittel in dieser Lebensphase bilden. Gleichzeitig soll die körperliche und geistige Entwicklung durch eine ausgewogene Energie- und Nährstoffzufuhr unterstützt werden (Mensink, Kleiser & Richter 2007).

Der Anstieg von Übergewicht und Adipositas (Fettsucht, Fettleibigkeit) bewirkt hohe Kosten im Gesundheitswesen. Erkrankungen wie Diabetes bei Kindern und Jugendlichen haben in den letzten Jahren weltweit stark zugenommen (Cole, Bellizzi et al 2000). Die Folgen von Fehl- und Mangelernährung wie Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs und Atemwegserkrankungen belasten die Europäische Region am stärksten von den sechs WHO-Regionen. Diese Erkrankungen verursachen 77 Prozent der Krankheitslast und 86 Prozent der vorzeitigen Sterblichkeit. Die führenden Risikofaktoren sind das überhöhte Körpergewicht sowie der übermäßige Verzehr von kalorienreicher Nahrung, gesättigten Fetten, Transfettsäuren, Zucker und Salz bei zu geringem Verzehr von Obst, Gemüse und Vollkornprodukten (WHO 2014).

Gesunde Ernährung und Bewegung sind Bestandteile jeden gesundheitsfördernden Ansatzes. Der Mensch sollte sich in seinem Körper wohlfühlen und sich nicht einem bestimmten Body-Mass-
Index unterordnen.

Das Robert Koch Institut (RKI) führt im Auftrag der Bundesregierung regelmäßig Studien zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) durch. Das Erhebungsspektrum umfasst vielfältige Informationen über Gesundheitsstatus und -verhalten, Lebensbedingungen sowie Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems. Die KiGGS - Basiserhebung verlief in den Jahren 2003 bis 2006 und die erste Folgeerhebung erfolgte in den Jahren 2009 bis 2012. Die Studien zeigten einen Anstieg von Übergewicht und Adipositas, der vor allem vermehrt bei Kindern aus den unteren sozialen Schichten und bei Kindern mit Migrationshintergrund auftritt.

Die Daten sind sowohl für die Gesundheitspolitik als auch für die evidenzbasierte Konzeptionen von Präventions- und Interventionsmaßnahmen eine wichtige Grundlage (Lange, Butschalowsky, Jentsch et al 2014) und deshalb sollte im Sinne von Gesundheitsförderung und Public Health eine frühe Intervention für eine gesunde Ernährung erfolgen.

Gesunde Ernährung – Ein Garant für Gesundheit

In Amerika wies man schon in den 1990er Jahren auf die Notwendigkeit hin, mehr Obst und Gemüse zu verzehren. Das National Cancer Institute of Amerika (NCI) startete landesweit mit der „5 A Day“-Kampagne, nachdem Studien einen Zusammenhang von gesunder Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst und Gemüse und einer geringeren Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken, nachgewiesen hatten. Ebenso zeigen Studien, dass im allgemeinen die Bevölkerung zu wenig Obst und Gemüse verzehrte (Havas, Heimendinger et al 1995). „Obst und Gemüse sind bedeutende Quellen für die Versorgung des menschlichen Organismus mit Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen sowie sekundären Pflanzenstoffen. Sie weisen zumeist einen hohen Wasseranteil auf und beinhalten pro Volumeneinheit eine relativ geringe Anzahl an Kalorien. Zusammen mit den enthaltenen Ballaststoffen führt dies zu einer verhältnismäßig guten Sättigungswirkung bei vergleichsweise geringer Energieaufnahme. Ein hoher Anteil dieser pflanzlichen Kost in der täglichen Ernährung kann demnach eine übermäßige Aufnahme an ernährungsphysiologisch ungünstigeren Lebensmitteln vermeiden und somit zur Optimierung der Energie- und Nährstoffbilanz beitragen“ (Deutsche Gesellschaft für Ernährung 2007).

Nach den heutigen gesundheitswissenschaftlichen Erkenntnissen wird allgemein eine optimierte Mischkost empfohlen, die unmittelbare Auswirkungen auf den Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen, wie den Gewichtsstatus, die Knochenmineralisation und Diabetes mellitus Typ 2 und auch auf die schulischen Leistungsfähigkeiten (HBSC 2011) haben soll. Dazu gehöre gleichzeitig eine Reduktion von Salz, Fetten und Zucker. Insgesamt werde zu viel Fleisch verzehrt, deswegen sollte diese Aufnahme ebenfalls verringert werden (Mensink, Heseker et al 2007).

Die WHO hat im September 2014 in Kopenhagen auf der Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa einen Europäischen Aktionsplan „Nahrung und Ernährung 2015 bis 2020“ veröffentlicht,
in dem die Ziele erneut formuliert wurden, um eine signifikante Verringerung der Belastung durch ernährungsbedingte nicht übertragbare Krankheiten wie Adipositas und andere Fehlernährungsformen zu erreichen und vorzeitige Todesfälle zu vermeiden.

Dieser Aktionsplan zeigt, wie Kinder und Jugendliche an eine gesündere Ernährung mit mehr Obst und Gemüse herangeführt werden könnten. Sie sollten so früh wie möglich in ihrer Entwicklung mit richtiger und gesunder Ernährung aufwachsen, da in diesem Lebensabschnitt die Grundlagen für das spätere Ernährungsverhalten eines Menschen gelegt werden. In jungen Jahren akzeptiert das Kind das ihm Vorgelebte und Dargebotene und die gesunden Essgewohnheiten verfestigen sich mit zunehmendem Alter (Bjarnason 2011). Aus diesem Grund stehen Kinder im Fokus der Ernährungserziehung in Form von Schulobstangeboten (WHO 2014).

Gesundheitsförderung (Health Promotion) soll die gesundheitlichen Entfaltungsmöglichkeiten von Menschen stärken, indem sich ihre Lebensbedingungen verbessern. Auf der Konferenz der Weltgesundheitsorganisation in Ottawa (1986) wurde das Konzept der Gesundheitsförderung etabliert. Dieses war aus den gesundheitspolitischen Debatten der WHO entstanden, in denen sich neben der bevölkerungsmedizinischen auch ökonomische, politische, kulturelle und soziale Impulse wiederfanden. Die Gesundheitsförderung basiert auf dem salutogenetischen Wirkungsansatz, der die Schutzfaktoren und Ressourcen stärkt. Diese sind die Voraussetzung für die Verbesserung der Gesundheitsentwicklung (Hurrelmann, Klotz, Haisch 2010).

In Schulen und Kindergärten werden Projekte zur gesunden Ernährung gefördert und teilweise wissenschaftlich begleitet. Sind bestimmte Anforderungen erfüllt, unterstützt die Europäische Union diese Projekte finanziell. Schulen nutzen diese Möglichkeit und kommen so der Gesundheitsförderung im Sinne von Public Health und der Ottawa Charta nach.

Public Health („Öffentliche Gesundheit/Gesundheit der Bevölkerung“) ist ein problembezogenes, multidisziplinär ausgerichtetes Fachgebiet der Gesundheitswissenschaften, dass von der WHO 1952 als die Wissenschaft und die Kunst der Verhütung von Krankheit, der Lebensverlängerung und der Förderung seelischer und körperlicher Gesundheit durch gemeinsame gesellschaftliche Anstrengungen sinngemäß definiert wurde (Hurrelmann, Laaser 1998).

Public Health beschäftigt sich überwiegend mit den politischen Rahmenbedingungen der Entstehung und Erhaltung der Gesundheit der Bevölkerung. Zu den klassischen Erfolgen von Public-Health-Interventionen zählen Impfprogramme gegen Pocken oder die Verbesserung der Trinkwasserversorgung sowie die Kontrolle von Infektionskrankheiten wie Cholera und Masern und der Rückgang von Karies in den Industrienationen (Gerhardus, Breckenkamp et al 2010).

 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag

Obst und Gemüse schmecken lecker. Und sie tragen mit ihren gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen dazu bei, dass sich der Mensch fit und wohl fühlt. Deshalb steht bei der „5 am Tag“ -Kampagne die Empfehlung, 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag zu essen, im Mittelpunkt. Mit der Regel fünf Portionen oder fünfmal eine Handvoll, die mengenmäßig den gewünschten Ernährungsempfehlungen entsprechen, sollte die Regel einprägsam sein (www.5amTag.de). Für Kinder gilt ebenfalls fünf Handvoll, da sich die Hände als einfaches Maß automatisch den Bedürfnissen von Kindern und Erwachsenen anpassen. Von den fünf Portionen sollten drei Portionen Gemüse oder Salate sein. Säfte, Trockenfrüchte und Nüsse (ungesalzen und ungeröstet) gehören ebenfalls zur 5 am Tag Regel (ebenda). Die Kampagne existiert seit den 1990er Jahren in Amerika und ist inzwischen weltweit in 20 Ländern verbreitet. Im Juli 2000 wurde sie in Deutschland von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), der Deutschen Herzstiftung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nach dem amerikanischen Vorbild ins Leben gerufen. Dazu wurde ein gemeinnütziger eingetragener Verein gegründet, dessen Mitglieder aus wissenschaftlichen Fachgesellschaften (DGE, DKG), Krankenkassen, Ministerien, Stiftungen sowie zahlreichen Partnern aus der Wirtschaft bestehen. Seit 2002 wird die Kampagne von der europäischen Union finanziell unterstützt. Das Ziel ist, den Obst-und Gemüseverzehr zu erhöhen.

Doch wie wirkt sich die Kampagne im Alltag aus, hat es Veränderungen beim Essverhalten gegeben?

Zu den Auswirkungen der Ernährungskampagne finden sich weltweit mehrere Studien:

  • Im Rahmen der KIGGS-Studie des Robert Koch Institut (KiGGS), die den Gesundheitsstatus der Kinder und Jugendlichen in Deutschland untersuchte, fokussierte die sogenannte EsKiMo-Studie im Bereich Ernährung auf die Verzehrsmengen von Obst und Gemüse bei den 0- bis 17-Jährigen. Nachgewiesen wurde hierbei, dass die empfohlenen Verzehrsmengen bei Obst- und Gemüse von 50 Prozent der Teilnehmer nicht erreicht wurden, obwohl ein Anstieg im Konsum zugenommen hatte (Tab. 1). Mit zunehmendem Alter der Kinder und Jugendlichen verringert sich der Verzehr von Obst und Gemüse. Parallel zum Alter der Kinder und Jugendlichen stieg aber der Konsum von fettreichen, tierischen Lebensmitteln, der insgesamt zu hoch war. So bestehe weiterhin ein Verbesserungsbedarf (Mensink, Kleiser, Richter 2007).

In Schulobstprogrammen, die Obst und Gemüse anbieten und gleichzeitig auf die Bedeutung von gesunder Ernährung hinweisen, erlernen Kinder aktiv Zubereitungskompetenzen, die sich langfristig positiv auf ihre Ernährung auswirken. Dieses ist besonders wichtig, da einmal geprägte Ernährungsmuster bis in das Erwachsenenalter bestehen bleiben. Es wird nicht nur Wert auf die aktuelle Steigerung des Verzehrs gelegt, sondern auf das langfristige Ziel einer nachhaltigen Umstellung der Ernährung.

Obwohl die „5 am Tag“-Kampagne in Deutschland im Alltag eher unscheinbar ist, verbinden viele Menschen mit ihr das Thema der „gesunden Ernährung“ (www.5amtag.de).

Die Kampagne ist vor allem im Gesundheitswesen bei Ernährungsexperten bekannt und wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) unterstützt. Überwiegend findet sie sich bei den geförderten Projekten an Schulen oder in Kindergärten, die sich im Rahmen von Public Health mit dem Thema beschäftigen. Beispielsweise wurde im Dortmunder Obst- und Gemüseprojekt eine positive Entwicklung beobachtet, da über die Hälfte der Befragten eine regelmäßige und gesunde Ernährung durch das Projekt angaben und weitere 80 Prozent erkannten eine Entwicklung hin zu einer positiveren Einstellung und steigende Begeisterung für den Obst- und Gemüseverzehr (Völkel, Eissing, Lißek 2009).

  • Eine ähnliche Studie aus Großbritannien zeigte, dass sich der Konsum von Obst und Gemüse an den Schulen positiv veränderte, wenn die Schulen ein entsprechendes Angebot aufwiesen. Zu langfristigen Ernährungsveränderungen liegen allerdings noch keine Aussagen vor. Aber die „5 am Tag“-Kampagne werde als Werbung für eine gesündere Ernährungsweise genutzt und in den Schulalltag integriert (Johnson, Hackett 2006).
  •  Auch andere großflächige Studien wie beispielsweise aus  England deuten darauf hin, dass mehr Obst und Gemüse verzehrt werden sollte, weisen aber bis jetzt noch keine nachhaltige Veränderung durch die Ernährungskampagne nach (Michels, Welch et al 2005). Obwohl noch kein vermehrter Verzehr von Obst und Gemüse nachgewiesen werden kann, wird die Kampagne als ein wichtiger Bestandteil gesehen, um über die Bedeutung von gesunder Ernährung zu informieren.
  • Studien in Norwegen belegen ebenso die Notwendigkeit, Kinder in den Schulen mit Obst- und Gemüse zu versorgen und sie gleichzeitig über gesunde Ernährung zu informieren, um eine nachhaltige Verhaltensveränderung herbeizuführen. Dabei stehen die Eltern im Fokus, da sie als Vorbilder Zuhause eine prägende Rolle einnehmen (Ovrum, Bere 2013).
  • Ganz anders stellt sich die Kampagne in Schottland dar. Hier wurde in den letzten Jahren die Öffentlichkeitsarbeit intensiviert. Da der National Health Service die Kampagne unterstützt, finden sich viele Produkte im Supermarkt mit einem Vermerk: „1 of your 5 a day“.

Die Medien und großflächige Werbung (Plakate, Busse) vermitteln die Botschaften. Unter anderem werden kindgerechte neue Fruchtprodukte, die wie Süßigkeiten aussehen aber aus Fruchtmark bestehen, angeboten.

Die Regierung Großbritanniens hat im November 2004 ein Schulobstprogramm eingeführt, dass jedem Kind im Rahmen der „5 A Day“-Kampagne (Ransley, Greenwood et al 2007) ein Stück Obst oder Gemüse kostenfrei anbietet (school fruit and vegetable scheme SFVS). Auf diese Weise wird das Anliegen der Gesundheitsförderung viel offensichtlicher in den Alltag integriert. Da die Kampagne in jedem Land eigenständig arbeitet sind die Aktionen alle national und jedes Land hat seine eigenen Projekte.

„5 am Tag“ – das Ziel für die Zukunft

Die Ernährungskampagne „5 am Tag“ hat seit ihrer Einführung in Deutschland nicht den erhofften Beitrag zur gesunden Ernährung in der Gesellschaft geleistet. Die vielen weltweiten Studien zeigen aber nach wie vor einen Erziehungsbedarf zum vermehrten Verzehr von Obst und Gemüse in der Bevölkerung auf.

Mit mehr Öffentlichkeitsarbeit, Plakatwerbung, Fernsehspots oder einer Kennzeichnung auf Lebensmitteln, könnte die „5 am Tag“- Kampagne dazu beitragen, gesunde Ernährung mit mehr Obst und Gemüse „sichtbarer“ zu machen. Die Kosten für mehr Promotion fielen im Vergleich zu den Folgekosten chronischer Erkrankungen im Gesundheitswesen wesentlich geringer aus. Wie aus einer englischen Studie hervorgeht, ließe sich mit einer ausgewogenen gesunden Ernährung mit viel Obst und Gemüse ungefähr 33.000 Todesfälle vermeiden (Scarborugh, Nnoaham et al 2012).

In dem Europäischen Aktionsplan Nahrung und Ernährung (2015–2020) der WHO wird deutlich formuliert, dass dafür Sorge zu tragen sei, dass sich das gesamte Gesundheitswesen für die Gesundheitsförderung einsetzt und dass Ernährung und gesundes Essen in einer personenzentrierten Gesundheits- und Sozialversorgung Priorität geniesst unter anderem durch Kurzinterventionen und Ernährungsberatung. (WHO 2014)

Das bedeutet es muss frühzeitig angefangen werden, die Menschen zu erreichen.

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Die Autorin

Christel Nolan

Christel Nolan ist sozialtherapeutische Fachkraft. Im März diesen Jahres beendete sie ein berufsbegleitendes dreijähriges Vollzeitstudium an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld mit den Bachelor of Science Pflege.