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Eltern haben oft Fragen zu Ernährung, Bewegung und Nahrungsmittelunverträglichkeiten ihres Kleinkindes. Hier will das Netzwerk "Gesund ins Leben - Netzwerk Junge Familie" helfen.

Zwei Kleinkinder sitzen unter Aufsicht einer Frau am Tisch und essen Gemüse
aid

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Auszug aus den Handlungsempfehlungen des Netzwerks „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“, ein Projekt von IN FORM

Eltern haben oft viele Fragen zur Ernährung und Bewegung ihres Kleinkindes und zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Doch im Alltag begegnen sie häufig unterschiedlichen Empfehlungen und Aussagen. Deshalb hat sich das Netzwerk „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ zum Ziel gesetzt, harmonisierte Handlungsempfehlungen im Konsens mit den relevanten Fachgesellschaften und Berufsgruppen zu entwickeln. Diese Handlungsempfehlungen sind Basis für Kommunikationsmaßnahmen und Medien des Netzwerks und geben
Eltern die notwendige Sicherheit für ihr Handeln. 

Eine ausgewogene, altersgerechte Ernährung und reichlich Bewegung sind wichtig für die gesunde Entwicklung und das Wohlbefinden des Kleinkindes (1–3 Jahre). Gegen Ende des ersten Lebensjahres erhalten Kinder immer häufiger das normale Essen der Familie. Das Kind wird beim Essen und Trinken zunehmend selbstständiger und übernimmt dabei familiäre und kulturelle Gewohnheiten. Kleinkinder sollten bei diesem Übergang und dem Prozess des Essenlernens unterstützt werden, denn eine ausgewogene Ernährung trägt zur Gesundheit, genussvolles Essen zum Wohlbefinden bei.

Im Kleinkindalter differenzieren sich fein- und grobmotorische Fähigkeiten und Fertigkeiten besonders aus, und die Bewegungen werden zunehmend komplexer und gezielter. Gewohnheiten, die im Kleinkindalter erworben wurden, wirken sich nicht nur kurzfristig aus, sie prägen auch wesentlich spätere Ess- und Bewegungsgewohnheiten bis ins Erwachsenenalter. Ein gesunder Lebensstil gilt als ein Schlüssel zur Vorbeugung von Übergewicht und ernährungsabhängigen Erkrankungen. Reichlich körperliche Aktivität, ein abwechslungsreiches, ausgewogenes Lebensmittelangebot und die Beachtung der Hunger- und Sättigungssignale, aber auch ausreichend Schlaf sowie wenig bis gar kein Konsum von Bildschirmmedien und wenig bis gar kein Kontakt mit Lebensmittelwerbung im Kleinkindalter tragen zu einer normalen Gewichtsentwicklung bei.

Netzwerk „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“

Das Netzwerk ist ein Projekt von „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ (www.in-form.de) der Bundesregierung und wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Das Netzwerk besteht aus über 400 Institutionen, Verbänden und Fachgesellschaften, die junge Familien dabei unterstützen, einen gesunden Lebensstil zu verwirklichen. 

Die Projektorganisation liegt beim aid infodienst e. V. in Bonn. 

 Weiterführende Informationen

Die hier beschriebenen Empfehlungen zur Ernährung und Bewegung gelten für gesunde Kinder im Alter von ein bis drei Jahren im häuslichen Bereich. Sie richten sich an alle Multiplikatoren, die Eltern von Kleinkindern beraten und begleiten.

.Die Vollversion der Handlungsempfehlungen „Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter“ des Netzwerks „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“, ein Projekt von IN FORM, sind im Internet verfügbar.

Das im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erarbeitete „Curriculum Gesundheitsförderung“ gibt Informationen zu den Standards der Gesundheitsprävention und -bildung und der Umsetzung in die praktische Arbeit mit Kindern bis drei Jahren in der Kindertageseinrichtung und Kindertagespflege.

Das im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erarbeitete „Curriculum Gesundheitsförderung“ gibt Informationen zu den Standards der Gesundheitsprävention und -bildung und der Umsetzung in die praktische Arbeit mit Kindern bis drei Jahren in der Kindertageseinrichtung und Kindertagespflege

Kindern ein gutes Vorbild sein und Verantwortung tragen

Kinder lernen auf vielfältige Weise, vor allem auch durch Beobachtung und Nachahmung von Eltern und anderen Bezugspersonen. Sie entfalten ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten in Interaktion,
Kommunikation und zusammen mit anderen. Ein gesundes Essverhalten, regelmäßige Bewegung und ein verantwortungsbewusster Umgang mit Medien seitens der Eltern sind daher wichtig. Fachkräfte, die Eltern beraten, sollten ihnen die Bedeutung ihrer Vorbildrolle und Erziehungsverantwortung bewusst machen, sie aber nicht unter Druck setzen. Sie sollten vielmehr angeregt und unterstützt werden, ausgehend von ihren unterschiedlichen Bedürfnissen, kulturellen Hintergründen und Ressourcen, selbst praktikable Wege für die Umsetzung eines gesundheitsfördernden Lebensstils im Familienalltag zu finden. So können Eltern wiederum ihr Kind bei seinen ernährungs- und bewegungsbezogenen Bildungs- und Lernprozessen begleiten und stärken.

Von der Recherche zu den Handlungsempfehlungen

Zwischen 2012 und 2013 erfolgte durch den wissenschaftlichen Beirat und weitere Experten aus den Bereichen Ernährungsbildung, Psychologie, Psychosomatik, Frühpädagogik, Pädiatrie, Sportmedizin und Sportwissenschaften eine Sichtung und Bewertung einschlägiger Publikationen, Metaanalysen, systematischer Übersichtsarbeiten und Leitlinien sowie Empfehlungen von Fachorganisationen und Institutionen, die Aussagen zu Ernährung, Bewegung und Nahrungsmittelallergien veröffentlich haben. Die Recherche und zum Teil auch die Erarbeitung erfolgte in Abstimmung mit dem österreichischen Programm „Richtig essen von Anfang an!“, das zeitgleich Ernährungsempfehlungen für Kleinkinder erstellte. Die im Konsens formulierten Aussagen entsprechen dem Evidenzniveau einer Expertenempfehlung.

Essen lernen im Kleinkindalter

Kinder lernen das Essen auf ähnliche Weise wie ihre Sprache: durch eigenes Tun, Nachahmung, Interaktion und Kommunikation. Essen ist mit Freude und sinnlichem Erleben verbunden. Im
Kleinkindalter gibt es jedoch vorübergehend Phasen, in denen Kinder beim Essen sehr wählerisch oder nicht am Essen interessiert sind. Meist gehen diese Phasen von selbst vorüber.

1 Gemeinsame Mahlzeiten

  • Kleinkinder sollten ihre Mahlzeiten in einem regelmäßigen Rhythmus bekommen (z. B. 3 Hauptmahlzeiten und 2 kleinere Zwischenmahlzeiten). Mahlzeiten wechseln sich mit essensfreien Zeiten ab. 
  • In den Essenspausen zwischen den Mahlzeiten (z. B. für 2–3 h) sollten weder Snacks, zuckerhaltige Getränke noch Milch angeboten werden. Wasser kann und sollte das Kind zu jeder Zeit zu sich nehmen können.
  • Mahlzeiten in Gemeinschaft und mit genügend Zeit und Ruhe (ohne Ablenkung z. B. durch laufendes Fernsehgerät) sind wünschenswert. Es ist anzustreben, dass die Familie mindestens einmal am Tag gemeinsam isst.
  • Eine freundliche Atmosphäre bei den Mahlzeiten macht das Essen zu einem positiven Erlebnis.
  •  Eltern sollten ihrem Kind ermöglichen, selbstständig zu essen sowie aktiv an den Mahlzeiten teilzunehmen, und es darin unterstützen.

2 Beachtung von Hunger und Sättigung

  • Eltern sind für ein ausgewogenes Nahrungsangebot zuständig. Das Kind entscheidet selbst, wie viel es davon isst. Eltern sollten die Hunger- und Sättigungssignale des Kindes respektieren.
  • Eltern bieten zunächst eine kleine Portion an beziehungsweise das Kind nimmt sich eine Portion, sobald es sich selbst bedienen kann. Das Kind kann nachfordern beziehungsweise sich nachnehmen, bis es satt ist.
  • Eltern sollten ihrem Kind ermöglichen, sich auf das Essen zu konzentrieren. Sie vermeiden Ablenkungen. Sie animieren das Kind nicht mit Tricks, Überzeugungsszenarien, Versprechen oder Spielen zum Essen.•Essen sollte nicht zur Belohnung oder zur Bestrafung eingesetzt werden. 
  • Essen ist keine Leistung. Eltern sollten das Kind nicht übermäßig für das, was und wie viel es isst, loben.
  • Beendet das Kind die Mahlzeit frühzeitig oder will es nichts essen, dann genügen ein bis zwei Versuche der Eltern, das Kind zum Essen zu ermutigen. Sie sollten keine Extraspeisen als Ersatz anbieten.

3 Erweiterung der Lebensmittelvielfalt

  • Kinder sollten ermutigt werden, neue Lebensmittel/Speisen zu probieren und zu entdecken, wie sie aussehen, wie sie riechen und sich anfühlen, welchen Geschmack und welche Konsisten sie haben. Eltern sollten für ein vielfältiges Angebot sorgen.
  • Geschmackspräferenzen bilden sich durch wiederholtes Probieren. Dazu bieten die Eltern neue Lebensmittel/Speisen mehrfach und ohne Zwang an und akzeptieren die (zeitweise) Ablehnung des Kindes.
  • Eltern sollten Lebensmittel auch einzeln anbieten, damit Kinder deren Eigengeschmack erfahren können.

Ernährung im Kleinkindalter

Die Empfehlungen zur Lebensmittelauswahl im Kleinkindalter entsprechen im Wesentlichen jenen für eine ausgewogene Familienernährung (Übersicht 1). Nur einige wenige Lebensmittel
sollten Kleinkinder noch nicht essen, da sie sich leichter verschlucken und ihr Immunsystem noch nicht ganz ausgereift ist.

1 Ernährungsweise

  • Mit einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Familienernährung kann der Bedarf des Kleinkindes gedeckt werden. Kleinkinder können und sollen an den Mahlzeiten der Familie teilnehmen.
  • Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Familienernährung enthält:

– reichlich Getränke: am besten Wasser oder andere ungesüßte/zuckerfreie Getränke

– reichlich pflanzliche Lebensmittel: Gemüse, Obst, Getreide,
Getreideprodukte, Kartoffeln

– mäßig tierische Lebensmittel: Milch, Milchprodukte, Fleisch,
Fisch, Eier

– sparsam Zucker und Süßigkeiten, Salz und Fette mit hohem
Anteil gesättigter Fettsäuren sowie Snackprodukte

  • Eine ausgewogene Ernährung gesunder Kleinkinder ist ohne spezielle Produkte möglich.
  • Nüsse, Mandeln und andere harte Lebensmittelstücke in „Erdnussgröße“ bergen Aspirationsgefahr (Verschlucken in die Luftröhre) und sollten für Kleinkinder nicht zugänglich sein.

2 Getränke im Kleinkindalter

  • Kleinkinder sollten zu jeder Mahlzeit und auch zwischendurch Wasser (oder andere ungesüßte/zuckerfreie Getränke) aus Glas, Tasse oder offenem Becher trinken.

3 Vegetarische Ernährung im Kleinkindalter

  • Eine ausgewogene pflanzliche Ernährung, die Milch/-produkte und Eier beinhaltet (ovolaktovegetarische Ernährung), ist bei Kleinkindern möglich. Auf eine ausreichende Versorgung mit Eisen und Zink ist zu achten.
  • Von einer rein veganen Ernährung ist abzuraten. Entscheiden sich die Eltern dennoch für eine vegane Ernährung ihres Kindes, sind immer eine spezielle medizinische Beratung und die Supplementierung von Nährstoffen erforderlich, weil das Risiko für einen Nährstoffmangel groß ist.

4 Schutz vor Infektionen und Intoxikationen durch Lebensmittel im Kleinkindalter

  •  Kleinkinder sollen keine rohen tierischen Lebensmittel essen. Dazu gehören rohes oder nicht durchgebratenes Fleisch, Rohwurst, roher Fisch, Rohmilch und Weichkäse aus Rohmilch, rohe Eier und daraus hergestellte, nicht ausreichend erhitzte Lebensmittel.
  • Warme Speisen sollen bald nach der Zubereitung verzehrt werden.
  • Bei der Lebensmittelzubereitung und -lagerung sind die allgemeinen Hygieneregeln zu beachten:

– Vor dem Zubereiten/Kochen und vor dem Essen sollen die Hände gründlich mit Seife gewaschen werden.

– Rohe und gegarte Lebensmittel sollen getrennt und immer bei den empfohlenen Temperaturen gelagert werden.

– Im Umgang mit rohen und gegarten Lebensmitteln sollen nicht dieselben Küchengeräte (Messer, Brettchen etc.) verwendet
werden.

– Bei der Zubereitung der Speisen soll auf Sauberkeit und hygienischen Umgang geachtet werden. 

Nahrungsmittelunverträglichkeiten im Kleinkindalter 

Die Empfehlungen für eine ausgewogene Familienernährung gelten auch für Kleinkinder mit erhöhtem Allergierisiko. Vorsorglich sollten keine Lebensmittel aus der Ernährung ausgeschlossen werden. Nahrungsmittelunverträglichkeiten betreffen nur einen kleinen Anteil der Kleinkinder. Eltern vermuten allergische und nichtallergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten wesentlich häufiger, als sie tatsächlich vorliegen. Auch bei Neurodermitis wird die Bedeutung von Nahrungsmitteln als Auslöser überschätzt.

  • Der Verdacht auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit allein rechtfertigt keinen längerfristigen Ausschluss von Nahrungsmitteln aus der Ernährung. Dieser kann Kinder erheblich belasten und ihrer Gesundheit schaden und soll nur auf Grundlage einer gesicherten ärztlichen Diagnose erfolgen.
  • Eine diätetische Behandlung bei Neurodermitis ist nur bei nachgewiesener Unverträglichkeit von Nahrungsmitteln gerechtfertigt.
  • Liegt eine Nahrungsmittelallergie vor, muss das unverträgliche Lebensmittel beziehungsweise der Lebensmittelinhaltsstoff vollständig gemieden werden. Die verbleibende Ernährung sollte ausgewogen und abwechslungsreich sein. Sie muss den altersentsprechenden Bedarf an Energie und Nährstoffen decken. Die Ernährungstherapie erfolgt unter fachlicher Beratung.

Körperliche Aktivität im Kleinkindalter

Jedes Kind profitiert von Bewegung und Eltern können das Bewegungsverhalten ihres Kindes gezielt unterstützen. Eltern von Kindern mit Behinderungen oder mit chronischen Krankheiten können in Absprache mit dem Kinder- und Jugendarzt oder dem Physiotherapeuten individuell mögliche Bewegungsaktivitäten für ihr Kind finden.

1 Bewegungsausmaß und Bewegungsart

  • Der natürliche Bewegungsdrang von Kleinkindern sollte nicht eingeschränkt werden. Daher sollten sie so viel wie möglich und besonders draußen in Bewegung sein.
  • Komplexe Bewegungsabläufe (z. B. Klettern, Spielen mit dem Ball, Bewegung nach Rhythmen und Musik) sind für die motorische Entwicklung besonders förderlich.

2 Unterstützung der körperlichen Aktivität

  • Eltern sollen die Bewegungserfahrungen von Kleinkindern auf folgende Weise aktiv unterstützen:

– Sie bauen gemeinsam mit dem Kind Bewegung in den Alltag ein und geben gezielt vielfältige Bewegungsanreize.

– Sie schaffen möglichst viel Zeit und sichere Räume für Bewegung
des Kindes.

– Sie ermöglichen Bewegungserfahrungen mit anderen Kindern.

– Sie nutzen Familienangebote wie Eltern-Kind-Turnen und
andere Bewegungsangebote für Kleinkinder.

  • Kinder sollen lernen, mit Gefahren und Risiken kompetent umzugehen. Eltern sollen daher selbst gewählte körperliche Aktivitäten des Kindes nicht unterbrechen, solange keine ernsthaften Gefahren drohen.

3 Begrenzung von Inaktivität

  • Längere Sitzzeiten des Kindes sollten unterbrochen und unnötige Sitzzeiten (z. B. im Buggy oder Hochstuhl) vermieden werden.
  • Bildschirmmedien (Fernsehgerät, Computer, Handy, Spielkonsolen etc.) sind für Kleinkinder nicht empfehlenswert.

4 Schlafen und Entspannen

- Eltern sollten dem Kind für regelmäßige Ruhe- und Schlafzeiten Gelegenheit geben. Wie viel Ruhe und Schlaf ein Kind braucht, ist individuell verschieden.

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Korrespondenzadressen

Prof. Dr. Berthold Koletzko

Kinderklinik und Poliklinik, Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Universität München