Springe direkt zum Inhalt , zum Menü .

/

Brennessel, Giersch und Vogelmiere kennen wir alle, oder doch nicht? Wie sieht letztere noch mal genau aus? Und kann man Giersch wirklich essen? Das Interesse an Wildkräutern ist heute größer denn je. Wie schön, dass es echte Expert*innen gibt, die uns mit ihrem Wissen versorgen: Mica Frangenberg von der Kölner „Wildkräuterei“ und Dr. Anna Schuster vom „Pimpinella Lab“ erzählen hier, was sie an Wildkräutern so schätzen und warum es sich lohnt, sich mit ihnen zu beschäftigen.

Wie hast du deine Leidenschaft für Wildkräuter entdeckt?

Mica: Als große Natur- und Pflanzenfreundin hat mich das Thema Wildkräuter schon immer interessiert. 2009 schrieb ich für die regionale Zeitung einen Artikel über das aufkommende Thema und die Recherche ließ mich nicht mehr los: Ich sammelte, schnüffelte, schmeckte und staunte! Es war um mich geschehen. Ich wollte alles zu dem Thema wissen und ließ mich kurz darauf zur Kräuterpädogogin ausbilden. Die „Wildkräuterei“ mit Seminarhaus und ihrem 4.000 qm großen Grundstück einer ehemaligen Gärtnerei ist heute mein Glück und mittlerweile schule ich mit meinem Team selbst Wildkräuterpraktiker*innen.

Anna: Ich bin Biologin und fühle mich der Natur schon immer sehr verbunden. Durch meine wissenschaftliche Laufbahn habe ich gelernt, botanische und ökologische Phänomene intellektuell zu verstehen. Es blieb immer eine Sehnsucht, der Natur mit allen Sinnen zu begegnen. So bin ich immer tiefer in die Welt der Wildpflanzen eingestiegen. Die Arbeit mit den Wildkräutern erlaubt es mir, die Pflanzen, zu riechen, zu fühlen und zu schmecken. Ich öffne durch sie meine Wahrnehmung für den Reichtum, der uns direkt in unserer Umgebung umgibt. Und nicht zuletzt sind Wildkräuter eine unglaubliche Bereicherung für unsere Ernährung. Mein Wissen und meine Begeisterung gebe ich jetzt in Workshops und Online-Kursen weiter. 

Welche Pflanzen verkennen wir meist als Unkraut?

Mica: Fast alles, was uns wie selbstverständlich grün umgibt. Wildes Grün, das wir aus unseren Beeten im Garten reißen und im Kompost entsorgen. Pflanzen, die uns am Wegesrand begegnen, an Straßen oder in Pflasterfugen. Tatsächlich sind das dieselben Pflanzen, die unsere Vorfahren gegessen oder heilkräftig genutzt haben. Völlig unterschätzte, kleine grüne Edelsteine!

Anna: Oh, das sind unzählige. Unliebsame Kräuter wie Giersch und Brennnessel können aufgrund ihres Nährstoffreichtums leicht sogar als Superfood bezeichnet werden! Aber auch beispielsweise Vogelmiere, Löwenzahn und Gundermann wachsen (fast) überall um uns herum und sind feine Ergänzungen in der Küche, weil sie voller Vitamine und Mineralien sind, aber auch unvergleichliche Aromen auf unsere Teller bringen.

Wie starte ich in die Welt der Wildkräuter, wenn ich bisher noch gar keine Berührungspunkte damit hatte?

Mica: Um Pflanzen kennen zu lernen, muss man auf jeden Fall vor die Tür. Eine Online-Wissensvermittlung funktioniert bei diesem Thema nicht. Expertinnen und Experten, die sich mit Wildkräutern auskennen, erleichtern den ersten Kontakt. Solche Menschen werden bei uns in der „Wildkräuterei“ ausgebildet und heißen Wildkräuterpraktiker*innen. Wildkräuter-Veranstaltungen findet man heute zum Glück deutschlandweit gut vor Ort. Nach solch einem angeleiteten Kurs oder Spaziergang kann man schauen, dass man selbst mit einem guten Erkennungsbuch oder einer Pflanzenbestimmungs-App weiterkommt.

Anna: Die meisten wertvollen Wildkräuter sind uns allen bekannt, nur wissen viele nicht, dass man sie nutzen kann! Das Wichtigste ist, anzufangen. Macht es euch leicht! Sucht 2-3 Kräuter, die ihr sicher erkennt. Wahrscheinlich gibt es sogar unter den oben genannten schon welche. Nehmt euch ein Sammelkörbchen mit und ein wenig Zeit. Ihr müsst sicher nicht weit gehen um eine gute Sammelstelle zu finden: Vermeidet aber Hundeauslaufwege sowie gedüngte und gespritzte Felder. Die einfachste Art, die oben genannten Kräuter zu nutzen, ist sie aufs Brot oder in den Salat zu geben. Wer weiter experimentieren mag, kann in unzähligen Kräuter-Kochbüchern oder auf meiner Website Anregungen finden, um sie zu verarbeiten.

Wie wichtig sind Kräuter für den Erhalt der Biodiversität?

Mica: Die Pflanzen auf unserem großen Grundstück dürfen machen, was sie wollen. Wir schlagen einfach nur Wege in die Wildnis, damit die Menschen in unseren Seminaren das Grundstück und die Pflanzen darauf erkunden können. Es haben sich Unmengen von Insekten, Vögeln und kleinen Säugetieren angesiedelt. Offensichtlich finden sie den Artenreichtum der Pflanzen hier attraktiver als das, was sich in unserem Umfeld in der "Natur" abspielt. Seltsamerweise haben Großstädte in punkto Artenreichtum oft mehr zu bieten, als manche klassisch landwirtschaftlich genutzten Gebiete.

Anna: Sehr wichtig. Viele einheimische Kräuter sind wertvolle Bienenweiden und dienen auch anderen Tieren und Insekten als Nahrung und sind eng im Ökosystem eingebunden. Durch unser Interesse für die Wildkräuter tragen wir gemeinsam dazu bei, die Augen für die Schönheit unserer natürlichen Flora zu öffnen und sie wertzuschätzen.

Dein Pädoyer für den Umgang mit Wildkräutern lautet…?

Mica: Lass Dich auf wilde Pflanzen ein! Finde eine Einstellung zu Hundepipi, Fuchsbandwurm und vermeintlich totbringenden Pflanzen, die dich losziehen lässt, wilde Pflanzen ohne Furcht zu suchen. Bewertet wildes Grün nicht, sondern begegnet ihm offen. Versucht mit der "Unordnung" und dem "Chaos" umzugehen von dem es oft umgeben ist. Beides ist das Wesen von Natur. Ich weiß von den Menschen in meinen Seminaren, dass sie diesen Kontrollverlust oft schlecht aushalten. Kategorisiere Pflanzen nicht in gut und schlecht. Sie haben alle ihren Wert. Und der liegt immer mindestens darin, dass sie für unseren Sauerstoff sorgen! Die Wertschätzung und das Verständnis, das dann in dir entsteht, kann Dinge verändern...

Anna: Geht raus, probiert aus und kommt ins Tun! Lasst euch verzaubern. Mit nur wenig Vorwissen könnt ihr Wildkräuter auf sehr einfache, unkomplizierte Art in euren Alltag integrieren ohne, dass es viel Zeit kosten muss. Es macht einfach Freude, sich mit Wildkräutern zu beschäftigen und bereits kleine Schritte sind wertvoll auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Lebensstil.

Alle Beiträge von Isabel Lezmi lesen

als hilfreich bewerten 0 Versenden

Interessante Links zum Thema

Wilde Hagebutten am Wegesrand 16 Sep
AdobeStock/okrasyuk
Nachhaltiger Konsum

Ernten auf öffentlichen Flächen

Früchte und Wildpflanzen in der essbaren Stadt

Pflücken erlaubt – das gilt generell auf öffentlichen Flächen in der Stadt. Vielerorts laden wilde Beerensträucher, Obstbäume und Wildkräuter zum Ernten ein.

mehr...
Ein Glas Kräutersalz und daneben liegen verschiedene frische Kräuter 10 Aug
AdobeStock/5ph

Kräutersalz selbst gemacht

Mediterran, mit Blüten oder Wildkräutern

Kräutersalze verleihen vielen Gerichten mehr Aroma.

mehr...
Weißer Gänsefuß 12 May
AdobeStock/simona

Wildkräuterküche

Weißer Gänsefuß als Gemüsebeilage

Der Weiße Gänsefuß oder auch Ackermelde ist ein Wildkraut, das am Wegesrand, auf Schuttplätzen, in lichten Wäldern und Gärten wächst. Man kann es wie Spinat zubereiten.

mehr...

Kommentare (0)

Kommentar abgeben

*Angabe erforderlich

Als politisch unabhängiger Anbieter liefern wir Informationen frei von Werbung oder privat-kommerziellen Zwecken - bitte auch in Ihren Kommentaren... Netiquette lesen.