(BZfE) – Denken wir an Pilze, so haben wir wohl in erster Linie Speisepilze wie Champignons, Steinpilze oder Pfifferlinge vor Augen. Die sind aber jeweils nur die sichtbaren und oberirdisch wachsenden Teile des eigentlichen Pilzes, genau genommen, ihre Fruchtkörper, also die Fortpflanzungsorgane des Pilzes. Der eigentliche Pilz ist das unterirdisch wachsende, weit verzweigte Myzel, das Nährstoffe und Wasser aufnimmt. Es besteht aus fadenförmigen Zellen, den sogenannten Hyphen. Einen solchen „Pilzrasen“ bekommen wir beispielsweise bei verschimmelten Lebensmitteln zu Gesicht.
Pilze besitzen die faszinierende Fähigkeit, organische Materialien umwandeln zu können. Wie diese Fähigkeit in der Lebensmittelproduktion genutzt werden kann, wird seit Langem erforscht. Dem aktuellen Stand der Forschung und Umsetzung ging nun der Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. Ende April 2025 in einem Kooperationsforum in Bonn nach.
„Nach Pflanzen und Bakterien stellen Pilze die drittgrößte organische Biomasse auf diesem Planeten dar“, erklärte Professor Philipp Benz von der Technischen Universität München. „Die Pilzbiotechnologie bietet Lösungen zur Sicherung, Stabilisierung und Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung einer wachsenden Weltbevölkerung bei gleichzeitiger Senkung der Treibhausgasemissionen.“ Was genau macht aber Pilze so interessant für die Biotechnologie? Benz nannte die vier Hauptgründe:
- Die Morphologie: Der „Pilz-Körper“ aus einzelnen Zellen beziehungsweise Zell-Filamenten hat eine extrem große Oberfläche.
- Der Metabolismus: Pilze ermöglichen das Recycling hochkomplexer Biomasse mit hohen Umwandlungs- und Produktionsraten.
- Die Robustheit: Pilze lassen sich im Labor (meist) einfach handhaben.
- Die Diversität: Pilze besitzen eine große Artenvielfalt und Anpassungsfähigkeit an ökologische Nischen und potenziell nützliche Substanzen.
Die Bandbreite der Branchen, die von den Stoffwechselaktivitäten der Pilze profitieren können, ist groß. Betrachtet man lediglich den Nahrungssektor, so ist hier der Fleischersatz hervorzuheben. Dieses Produktsegment hat in den vergangenen zehn Jahren eine enorme Dynamik entwickelt. Traditionelle Ersatzprodukte sind Miso (Aspergillus oryzae) und Tempeh (Rhizopus oligospuros), erläuterte Professor Martin Rühl von der Universität Gießen. Dies seien Produkte auf Sojabasis, die nicht unbedingt gut zu europäischen Ernährungsgewohnheiten passen.
Fleischersatzprodukte mit langen Zutatenlisten entsprechen auch nicht unbedingt der Verbrauchererwartung. Dass es auch anders geht, zeigt beispielsweise ein junges Start-Up-Unternehmen aus Berlin, das seine Arbeit auf dem Forum vorstellte: Verwendet wird ein robuster Pilzstamm, der unter verschiedenen Bedingungen wachsen und verschiedene Kohlenstoffquellen nutzen kann. Eine Kreislaufwirtschaft macht den Prozess kostengünstig und effizient.
Das Verfahren beginnt mit einer Sporenlösung, die in einen sogenannten Fermenter „eingeimpft“ wird. Im Fermenter sind Wasser, fermentierbare Zucker und/oder landwirtschaftliche Nebenprodukte. Um das Pilzwachstum zu fördern, wird Luft in den Tank geblasen. Innerhalb von 24 bis 48 Stunden vermehrt sich der Pilz durch die Verstoffwechselung der Kohlenstoffquellen. Die Hyphen haben sich dann im gesamten Tank ausgebreitet und eine wolkenartige Textur erzeugt. Das gebildete Myzel wird anschließend geerntet. Das Ergebnis hat eine fleischähnliche Textur und kann in verschiedene Formate weiterverarbeitet werden. Das Unternehmen wirbt damit, dass ihr Produkt preiswerter als Fleisch sei, kein Cholesterin enthalte, einen hohen Protein- und Ballaststoffanteil habe, keine Zusatzstoffe enthalte und eine fleischähnliche Textur aufweise.
Am Ende des Tages bleiben bei allen Vorteilen, welche die Pilzbiotechnologie bietet, zwei Fragen offen: Erstens, ist eine Skalierbarkeit gegeben? Das heißt, gelingt es, fermentierte Pilzprodukte in so großem Maßstab herzustellen, dass damit der Lebensmittelhandel flächendeckend beliefert werden kann? Und zweitens, werden die Produkte von Verbrauchenden auch angenommen?
Rüdiger Lobitz, www.bzfe.de
Weitere Informationen:
Forschungskreis der Ernährungsindustrie E.V: 23. FEI-Kooperationsforum „Pilz-Fermentation in der Lebensmittelproduktion“
https://fungalbiolbiotech.biomedcentral.com/articles/10.1186/s40694-020-00095-z
BZfE: Tempeh in der Küche – eiweißreiche Zutat aus fermentierten Sojabohnen
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