Planetary Health – Basis unseres Ernährungssystems

Gesund essen auf einem gesunden Planeten ist möglich

Schafe weiden an einem Berghang, im Hintergrund Nebel und Licht. © Sarah - stock.adobe.com
  • Eine gesunde Ernährung auf einem gesunden Planeten ist möglich. Das ist eine zentrale Erkenntnis aus der Forschung zur "Gesundheit unserer Erde", der "Planetary Health".
  • Wir können sogar zehn Milliarden Menschen gesund ernähren und gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen erhalten und regenerieren. Wie das gelingen kann, das untersuchen unzählige Wissenschaftseinrichtungen weltweit und auch in Deutschland.
  • Das Modell der Planetaren Grenzen ist ein Schlüsselkonzept in dieser Forschung. Es zeigt auf einen Blick alle neun Systeme, von denen unser Leben auf der Erde abhängt. Mit diesem Modell lässt sich messen und veranschaulichen, wie es um die Erde und die Ernährungssicherheit steht.
  • Wir müssen davon ausgehen dass sieben von neun Grenzen mittlerweile überschritten sind. Gleichzeitig hat die Publikation des Modells im Jahr 2009 viele Fortschritte in Wissenschaft und Praxis hervor gebracht. Weltweit wird an Lösungen gearbeitet, wie wir in den sicheren Handlungsraum zurückkehren können.
  • Nach Einschätzung der Erdkommission für Planetare Gesundheit haben vor allem Kommunen und Unternehmen in hochindustrialisierten Ländern das Potential, das Ernährungssystem wieder auf Kurs zu bringen, wenn sie ihr Handeln an den planetaren Grenzen ausrichten.

Planetary Health – für ein gutes Leben auf einer intakten Erde

Im Jahr 2015 wurde der erste Lancet Planetary Health Report veröffentlicht. Er markierte den Auftakt der neuen Wissenschaftsdisziplin Planetary Health. Sie untersucht, wie wir gesund und gut auf dieser Erde leben können, ohne sie zu überlasten. Die Frage, wie das gelingen kann, hat unzählige Forschungsprojekte hervorgebracht. Einige mit Ernährungsbezug werden im Folgendenden genannt:

Der Lancet Countdown ist eine internationale Forschungskoooperation von fast 300 Wissenschaftler*innen unter Leitung des University College London. Sie analysieren Zusammenhänge zwischen Gesundheitsindikatoren und Klimawandel und publizieren dazu regelmäßig Berichte.

Die internationale EAT-Lancet-Kommission hat 2019 das Konzept der Planetary Health Diet - einer planetaren Ernährungsstrategie entwickelt. Darin beschreibt sie Strategien, um künftig zehn Milliarden Menschen im Rahmen der Planetaren Grenzen sicher und gesund zu ernähren. 2025 gab es ein Update.

Auch ein Forschungskonsortium unter Leitung von Prof. Dr. Dieter Gerten, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) kam 2020 zu dem Ergebnis, dass eine nachhaltige Ernährung von zehn Milliarden Menschen möglich ist. Es identifizierte Schlüsselstrategien, um das Ernährungssystem wieder in Einklang mit den Ressourcen der Erde zu bringen (siehe Vortrag am Ende des Artikels).

Aktuelle Updates zum Zustand der Erde gibt der Planetary Health Check. Auch er wurde 2025 aktualisiert. Die Welt Kommission für Planetare Gesundheit entwickelte auf dieser Basis das Konzept der Erdsystemgerechtigkeit, das allen Menschen ein Leben in Würde ermöglicht.

Im Leibniz Lab haben sich über 40 deutsche Wissenschaftseinrichtungen zusammen geschlossen. Sie analysieren Erkenntnislücken und Zusammenhänge zwischen „Biodiversität, Klima, Landwirtschaft und Ernährung“. Ihr Ziel ist es, systemische Innovationen zu identifizieren, Dialoge mit gesellschaftlichen Akteursgruppen zu führen und zielgruppengerechte Kommunikationsformate zu entwickeln.

Sieben von neun Erdystemen überlastet

"Beispiele wie der Rückgang der Luftverschmutzung durch Aerosole und die Erholung der Ozonschicht zeigen aber auch, dass wir die globale Entwicklung umsteuern können. Scheitern ist kein zwangsläufiger Ausgang. Es liegt an uns, es zu verhindern.”, sagte Johan Rockström anlässlich des Updates des Planetary Health Check 2025

Eine ausführliche Erläuterung der neun planetaren Lebensgrundlagen und ihrer Funktionen für das Leben auf der Erde findet man auf der Dialogplattform Helmholtz Klima

Alles hängt mit allem zusammen

Neun Prozesse ermöglichen das Leben auf der Erde, so wie wir es kennen. Sieben sind bereits überlastet. Der grüne Bereich signalisiert gute Lebensbedingungen auf der Erde. Orange bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit von Schäden zunimmt. Die Farbe Rot-Lila kennzeichnet eine starke Überschreitung der Grenzen. Sie führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Destabilisierung des Erdsystems.

Diese Systeme beeinflussen sich gegenseitig. Wenn es zum Beispiel gelingt, die Klimaerhitzung zu verringern, dann ist das positiv für alle anderen Systeme. Und umgekehrt. Jede Tonne CO2, die wir emittieren, verstärkt den Treibhauseffekt. Das hat negative Folgen für die Wälder, die Wasserkreisläufe und die biologische Vielfalt.

Das neueste Update des Planetary Health Check von September 2025 zeigt, dass sich der Zustand des Planeten weiter verschlechtert. Nun hat auch die Ozeanversauerung ein gefährliches Maß angenommen. Das liegt vor allem an der Verbrennung fossiler Energieträger. Die Versauerung der Ozeane schädigt Kaltwasserkorallen, tropische Riffe, arktische Ökosysteme und auch die Schalen von winzigen Meeresschnecken. Sie sind die Nahrungsgrundlage von Fischen und Walen. 

Ernährungssicherheit gefährdet

Gut die Hälfte der derzeitigen Nahrungsmittelproduktion weltweit trägt zur Überlastung der planetaren Grenzen bei. Sie führt zum Verlust biologischer Vielfalt und verschärft die Wasserknappheit. In Deutschland sind es sogar 60 Prozent der Lebensmittelproduktion (siehe Vortrag des Wasserexperten Prof. Dr. Dieter Gerten, PIK). Gleichzeitig ist unsere Ernährungsversorgung von diesen Ökosystemen abhängig:

Genetische Vielfalt: Mehr als 75 Prozent aller Nahrungspflanzen brauchen Insekten für die Bestäubung. Monokulturen und die Abholzung von Wäldern für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion hingegen treiben das Artensterben voran. Auch die Überdüngung schadet vielen Arten.

Nährstoffkreisläufe: Die Überlastung von Böden und Gewässern mit Stickstoff und Phosphor in Deutschland wird zu 90 Prozent durch künstliche Düngemittel und die intensive Tierhaltung verursacht, stellte der Sachverständigenrat Umweltfragen in seinem Sondergutachten zu Stickstoff fest.

Land: Auch in Deutschland leiden die Wälder unter Dürren, Schädlingen und Bränden. Hinzu kommt, dass nach Angaben des Umweltbundesamtes jeden Tag immer noch 55 Hektar versiegelt werden. Das betrifft überwiegend wertvolles Ackerland. Diese Flächen gehen als Wasser- und CO2 -Speicher verloren und fehlen zur Sicherung der regionalen Ernährungsversorgung.

Erderhitzung: Das Ernährungssystem trägt 25 bis 35 Prozent zur weltweiten Treibhausgasbelastung bei. Selbst wenn alle politisch zugesagten Maßnahmen umgesetzt werden, müssen wir laut Bericht der Weltkommission für Planetare Gesundheit mit einer globalen Erderhitzung von 1,9 bis 2,6 Grad rechnen (Gupta et al. 2024). Bei solchen Temperaturveränderungen steigt auch in Deutschland die Wahrscheinlichkeit, dass es im Sommer zu Temperaturspitzen von bis zu 50 Grad im Schatten kommt, so die Modellierungen des Copernicus Dienstes Klimawandel. Das schadet nicht nur der Gesundheit sondern beeinträchtigt auch das Wachstum von Nahrungspflanzen.

Die Wasserkrise: ist sowohl ein lokales als auch ein globales Problem. Die Globale Kommission für die Ökonomie des Wassers (GCEW) warnt, dass die Wasserkrise bis 2050 mehr als die Hälfte der weltweiten Nahrungsmittelproduktion gefährdet. Der verschwenderische Umgang mit Wasser geht nach Einschätzung der Forschenden darauf zurück, dass die Ressource unterbepreist ist. Unternehmen sollten verpflichtet werden, ihren Wasserverbrauch offen zu legen. Notwendig sei ein Wasserpakt, der klare Ziele und eine Aktionsagenda für eine gerechte und nachhaltige Wasserzukunft enthält. Ein Pageflow der Globalen Wasserkommission veranschaulicht die Wasserkreisläufe der Erde und ihre Bedeutung für unser Leben und Wirtschaften.  

Erdsystemgerechtigkeit: Der faire Anteil für alle

Die Erdkommission für planetare Gesundheit hat 2024 eine umfassende Definition von Gerechtigkeit publiziert, die Earth System Justice. Sie beschreibt, wie es gelingen kann, allen Menschen im Rahmen der planetaren Grenzen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Dabei stellte sie unter anderem fest: Wenn es gelingt, nur 15 Prozent des kultivierten Landes zu renaturieren, dann wäre es möglich 60 Prozent des erwarteten Artensterbens zu vermeiden und rund 300 Gigatonnen CO2 auf diesen Flächen speichern. Sie stellte auch fest, dass der Überkonsum von ungesunden Lebensmitteln mit einem hohen Fleischanteil die weltweite Nahrungsversorgung mehr gefährdert, als das Fehlen von Land.

Der sichere und gerechte Korridor ist ein klar definierter Raum, in dem die menschliche Entwicklung sicher und gerecht stattfinden kann. Er basiert auf der Anerkennung der Tatsache, dass die natürlichen Ressourcen der Erde, nämlich CO2, Nährstoffe, Wasser und Land begrenzt sind und gerecht zwischen Mensch und Natur geteilt werden müssen.(Gupta et al. 2024: 2)

Kommunen und Unternehmen haben nach Einschätzung der Kommission eine Schlüsselrolle bei der Energie- und Ernährungstransformation. Ihnen kommt die Aufgabe zu, die planetaren Grenzen auf ihren Wirkungsbereich zu übersetzen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Die hochindustrialisierten Ländern stehen in einer besonderen Verantwortung, denn sie haben 92 Prozent der Treibhausgasemissionen verursacht, die sich in der Atmosphäre befinden. Gleichzeitig verfügen sie über mehr Ressourcen als die am wenigsten industrialisierten Länder, die am stärksten von den Folgen betroffen sind.

Europa ist nicht ausreichend auf die Krisen vorbereitet

Im Jahr 2024 veröffentlichte die Europäische Umweltagentur eine Analyse zu den Klimarisiken in Europa. Sie stellte fest, dass sich der europäische Kontinent am schnellsten von allen Kontinenten erwärmt. Die Behörde rechnet mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, die Landwirtschaft, die Infrastrukturen und die Wirtschaft.

Klimarisiken können sich kaskadenartig von einem System oder einer Region auf andere übertragen (...). Beispiele hierfür sind extreme Dürren, die zu Wasser- und Ernährungsunsicherheit, Störungen kritischer Infrastrukturen sowie Bedrohungen für die Finanzmärkte und die Stabilität führen (Europäische Umweltagentur 2024).

Auch dieser Bericht macht deutlich: Die Zukunfts des Ernährungssystems und die Versorgungssicherheit erfordert die Kooperation vieler Akteurinnen und Akteur. Sie hängt auch von der Reduktion der Treibhausgasemissionen anderer Sektoren ab, etwa der Energieerzeugung, der Industrie, des Verkehrs und der privaten und öffentlichen Gebäude. Je schneller diese Sektoren unabhängig von fossilen Rohstoffen werden, desto größer ist die Chance, dass es in Zukunft klimatische Bedingungen gibt, unter denen ausreichend Nahrung wächst. 

 

Gesundes Essen aus einer intakten Natur

“Nachhaltige Ernährungsweisen haben geringe Auswirkungen auf die Umwelt, tragen zur Lebensmittel- und Ernährungssicherung bei und ermöglichen heutigen und zukünftigen Generationen ein gesundes Leben. Sie schützen und respektieren die biologische Vielfalt und die Ökosysteme, sie sind kulturell angepasst, verfügbar, ökonomisch gerecht und bezahlbar, ernährungsphysiologisch angemessen, sicher und gesund, und verbessern gleichzeitig die natürlichen und menschlichen Lebensgrundlagen"(FAO 2012 in: Burlingame B, Dernini S: Sustainable diets and biodiversity - Directions and solutions for policy research and action) 

Die Forschung zeigt: Es ist möglich, das Ernährungssystem wieder in den sicheren Handlungsraum einzubetten. Das gelingt allerdings nur, wenn es leichter wird, gesund und nachhaltig zu essen. Eine planetarische Ernährung braucht auch eine Landwirtschaft, eine Lebensmittelverarbeitung, einen Handel und politische Rahmenbedinungen, die die ökologischen Systeme der Erde achten und bewahren. Ansätze gibt es daher auf allen Stufen des Ernährungssystems:

  • Ökologische Intensivierung steht für eine Landwirtschaft, die sowohl bewährte agrarökologische Methoden einsetzt, wie Mulchen und pfluglose Bodenbearbeitung aber auch technische Innovationen, zum Beispiel smarte Bewässerungssysteme.
  • Mehr Pflanze aufs Feld: Um die Versorgung mit nachhaltigen pflanzlichen Lebensmitteln zu sichern, müsste auch in Deutschland doppelt so viel Obst und Gemüse und ein Vielfaches an Nüssen und Hülsenfrüchten produziert werden. Empfohlen wird außerdem eine regional angepasste, flächengebundene Tierhaltung, vorzugsweide auf Weiden, um die Nährstoffversorgung von Böden, Pflanzen und Menschen sicher zu stellen.
  • Ernährungsumfelder verbessern: Damit alle Menschen, unabhängig vom Geldbeutel, Zugang zu gesunden Lebensmitteln aus einer intakten Natur bekommen, muss sich das Lebensmittelangebot in Geschäften und in der Gemeinschaftsverpflegung verbessern. Die EAT-Lancet-Kommission empfiehlt außerdem die Einschränkung von Werbung für ungesunde und nicht nachhaltige Produkte. Zu den Pionierstädten nachhaltiger Ernährungsumgebungen gehört London.
  • Bildungsoffensive für Schlüsselpersonen: Die EAT-Lancet-Kommission empfiehlt eine Bildungsoffensive für Schlüsselpersonen wie Köchinnen und Köche sowie Mitarbeitende aus dem Lebensmittelhandwerk und der Lebensmittelindustrie. Auch das wäre ein Beitrag zur Verbesserung des Angebotes.
  • Wahre Preise: Der True Cost Forschung gelingt es immer besser, die gesellschaftlichen und ökologischen Folgekosten zu messen, die durch nicht nachhaltige Produktionsmuster im Agrar- und Ernährungssektor entstehen. Zwei Berichte der FAO widmen sich diesem Thema. Im Rahmen eines deutschen Forschungsprojektes wurde 2025 eine Roadmap entwickelt, um nachhaltiges Wirtschaften zu fördern und weniger nachhaltige Produktionsweisen zu begrenzen. Es wurde vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat gefördert.
  • Lebensmittelverschwendung: Um natürliche Ressourcen zu schonen und zu erhalten, muss auch die Menge der Lebensmittelabfälle mindestens unter 50 Prozent sinken, verglichen mit heute.

Die Biosphäre – einfach erklärt

Die Biosphäre ist eine der planetaren Grenzen, die wir bereits stark übernutzt haben. Doch was ist überhaupt die Biosphäre? Iain Woodhouse ist Professor für angewandte Erdbeobachtung an der Universität Edingburgh. In einem einfach verständlichen Animationsfilm erklärt er, welche Leistungen die Erde für unser Leben und Wirtschaften kostenfrei bereitstellt.

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Vortrag: Vom Problem zur Lösung

Prof. Dr. Dieter Gerten vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) erklärte in seiner Keynote beim 4. BZfE-Forum, warum unser Ernährungssystem die Belastungsgrenzen der Erde überschreitet. Er erläutert aber auch welche Maßnahmen es braucht damit der “U-Turn” gelingt. 

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