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Wer die Zufuhrempfehlungen für Jod nicht erreicht, ist nicht automatisch unterversorgt. Allerdings steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das perspektivisch der Fall sein kann.

Alexander / stock.adobe.com

Jod ist für die Funktion der Schilddrüse und damit für eine Vielzahl physiologischer Prozesse wie Wachstum, Energiestoffwechsel und Nervensystem essenziell. Da der Körper das Spurenelement nicht selbst bilden kann, muss es über die Nahrung aufgenommen werden (BfR 2021). Wie viel Jod ein Mensch tatsächlich braucht, ist individuell unterschiedlich und in der Regel nicht bekannt. Eine Orientierung geben hierzu die Empfehlungen für die tägliche Jodzufuhr definierter Gruppen der Allgemeinbevölkerung, die sogenannten Referenzwerte. Auf Einzelpersonen angewandt sind sie als Zielgröße zu verstehen, um eine ausreichende Jodversorgung angenähert sicherzustellen (DGE 2015). Wie es zur Festlegung dieser Zielgröße kommt, zeigt die Herleitung von Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr:

Individueller Nährstoffbedarf

Als Nährstoffbedarf wird die Menge eines Nährstoffes bezeichnet, deren Aufnahme nötig ist, um alle lebensnotwendigen metabolischen, physischen und psychischen Körperfunktionen aufrechtzuerhalten und ernährungsbedingte Gesundheitsschäden zu verhindern (EFSA 2023). Er hängt vor allem von Alter und Geschlecht ab. Es gibt jedoch eine Vielzahl weiterer möglicher Einflussfaktoren. So kann speziell der Jodstoffwechsel durch eine unzureichende Versorgung mit anderen Nährstoffen, vor allem Selen, Zink und Eisen, beeinflusst werden. Auch ein hoher Verzehr glycosinolathaltiger Lebensmittel wie Kohl, Kresse oder Rettich (Senfölglycoside) sowie Leinsamen und Hirse beeinträchtigt die Jodaufnahme über die Schilddrüse, da sich bei ihrem Abbau unter anderem Thiocyanate bilden (Gärtner 2021; BfR 2021). Das verdeutlicht beispielhaft: Der Nährstoffbedarf eines Menschen ist eine individuelle und bisweilen täglich schwankende Messgröße und ist daher nicht unmittelbar für die Ableitung von Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr geeignet.

Durchschnittlicher Nährstoffbedarf

Für die Ableitung von Empfehlungen nutzt man den sogenannten durchschnittlichen Nährstoffbedarf. Das  ist die tägliche Nährstoffzufuhr, von der angenommen wird, dass sie den Bedarf von 50 Prozent einer definierten Bevölkerungsgruppe deckt. Dieser Wert lässt sich experimentell ermitteln, indem zum Beispiel für bestimmte Personengruppen Ausscheidungsraten konkreter Zufuhrmengen eines Nährstoffs im zeitlichen Verlauf gemessen werden (DGE 2015). Derlei Untersuchungen liefern naturgemäß keine einheitliche Größe. Ihre Ergebnisse unterliegen einer eigenen Verteilung, die vereinfachend als Normalverteilung (Gaußsche Kurve) angenommen wird (BfR 2021). In einem entsprechenden symmetrischen Kurvenverlauf entspricht das arithmetische Mittel dem Median (Statista o. D.). Mit dieser Nährstoffmenge kann die Hälfte der untersuchten Population ihren Bedarf decken oder gar überschreiten, während ihn die andere Hälfte der Population  nicht erreichen kann.

Zufuhrempfehlungen

Zufuhrempfehlungen stehen definitionsgemäß für Nährstoffmengen, die den Bedarf nahezu aller gesunden Menschen einer definierten Personengruppe sicherstellen – nicht nur den Bedarf eines Anteils dieser Population (DGE 2015). Postuliert wird, dass die Empfehlung den Bedarf eines Anteils von 97 bis 98 Prozent dieser Gruppe deckt (BfR 2021). Erfüllt wird diese Voraussetzung, indem man den ermittelten durchschnittlichen Nährstoffbedarf noch um diverse Sicherheitszuschläge erhöht (DGE 2015; Gärtner et al. 2021). Deshalb liegen die Referenzwerte zur Nährstoffzufuhr stets höher als der durchschnittliche Nährstoffbedarf einer Bevölkerungsgruppe. Das gilt auch für Jod.

Empfehlungen zur Jodzufuhr

Für die Jodzufuhr der Bevölkerung in Deutschland sind die Referenzwerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) maßgeblich. Die Institution gibt nach Alter differenzierte Empfehlungen für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene (Tab. 1), die sich in Größenordnungen zwischen 40 Mikrogramm pro Tag bis zu 200 Mikrogramm pro Tag bewegen (DGE 2015). Noch einmal höher sind die DGE-Empfehlungen für Schwangere und Stillende, da diese neben ihrem eigenen Jodbedarf auch den des Ungeborenen decken müssen (DGE 2015, Koletzko et al. 2018).

Alter

Jod
Deutschland, Österreich

µg/Tag

Jod
WHO, Schweiz

µg/Tag

Säuglinge    

0 bis unter 4 Monatea

40

50

4 bis unter 12 Monate

80

50

Kinder    

1 bis unter 4 Jahre

100

90

4 bis unter 7 Jahre

120

90

7 bis unter 10 Jahre

140

120

10 bis unter 13 Jahre

180

120

13 bis unter 15 Jahre

200

150

Jugendliche und Erwachsene    

15 bis unter 19 Jahre

200

150

19 bis unter 25 Jahre

200

150

25 bis unter 51 Jahre

200

150

51 bis unter 65 Jahre

180

150

65 Jahre und älter

180

150

Schwangere

230

200

Stillende

260

200

a Schätzwert
 

Referenzwerte in der Praxis

Eine Jodzufuhr in der Größenordnung der festgelegten Referenzwerte gilt als wünschenswert, nicht jedoch ein „überscharfes Rechnen“ mit diesen Werten (DGE 2015). Sie sind nicht als konkrete Empfehlung für jeden einzenen Tag zu verstehen und schon gar nicht, sie anteilig auf Mahlzeiten zu übertragen.

Weder ein Über- noch ein Unterschreiten der Zufuhrempfehlung ist mit unmittelbaren gesundheitlichen Risiken verbunden (DGE 2015): Menschen, die die Referenzwerte nicht erreichen, sind nicht zwangsläufig unterversorgt. Allerdings steigt das Risiko einer unzureichenden Jodversorgung,  je länger und deutlicher ihre Jodzufuhr unterhalb der Referenzwerte liegt.

Umgekehrt besteht nicht automatisch ein Risiko für die Gesundheit, wenn die Referenzwerte für Jod überschritten werden. Liegt die Jodzufuhr jedoch akut oder dauerhaft weit über den Referenzwerten, kann das nachteilig auf die Gesundheit wirken (BfR 2021). Die Gefahr einer Nährstoffüberversorgung spielt bei einer Ernährung mit herkömmlichen Lebensmitteln kaum eine Rolle (Bechtholt 2009), auch nicht bei Jod. Allein ein täglicher Verzehr großer Mengen jodreicher Algen oder bestimmter Nahrungsergänzungsmittel könnte zu einer Überdosierung führen (BfR 2007; Gärtner 2015).

Sichere Jodzufuhrmengen

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nimmt für Erwachsene eine duldbare Tageshöchstmenge (Tolerable Upper Intake Level, UL) von 600 Mikrogramm Jod an (EFSA 2018). Selbst bei langfristiger Aufnahme lassen Jodmengen unterhalb dieser Größenordnung keine negativen Gesundheitsauswirkungen erwarten. Konkret auf die erwachsene Bevölkerung in Deutschland bezogen ermittelte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) indes einen UL von 500 Mikrogramm Jod pro Tag (BfR 2021). Diese niedrigere Festlegung begründet es damit, dass hierzulande noch bis in die 1980er-Jahre Jodmangel verbreitet war. Dieser hatte in Teilen der Bevölkerung Schilddrüsenerkrankungen ausgelöst, die unter Älteren noch heute bestehen. Betroffene können bei langfristig erhöhter Jodzufuhr eine Schilddrüsenüberfunktion entwickeln (Gärtner 2021).

Literatur

Bechtholt A (2009). Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Ernährungs-Umschau. 56(6): 346-353.

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2007). Gesundheitliche Risiken durch zu hohen Jodgehalt in getrockneten Algen. Aktualisierte Stellungnahme Nr. 026/2007 des BfR vom 22. Juni 2004. Im Internet: https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche_risiken_durch_zu_hohen_jodgehalt_in_getrockneten_algen.pdf, Zugriff vom 11.10.2023

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2021). Jodversorgung in Deutschland wieder rückläufig – Tipps für eine gute Jodversorgung. Fragen und Antworten zur Jodversorgung und zur Jodmangelvorsorge. FAQ des BfR vom 20. Februar 2020 (aktualisiert 9. Februar 2021). Im Internet: www.bfr.bund.de/cm/343/jodversorgung-in-deutschland-wieder-ruecklaeufig-tipps-fuer-eine-gute-jodversorgung.pdf, Zugriff vom 06.10.2023

Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.) (D-A-CH). (2015). Jod. In: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Bonn, 1. Aufl.

Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.) (D-A-CH). (2015). Einführung. In: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Bonn, 1. Aufl.

Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) (2018). Summary of Tolerable Upper Intake Levels – version 4. Im Internet: www.efsa.europa.eu/sites/default/files/assets/UL_Summary_tables.pdf, Zugriff vom 06.10.2023

Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) (2023). Nährstoffaufnahme-Referenzwerte. Im Internet: https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/dietary-reference-values, Zugriff vom 05.10.2023

Gärtner R (2015). Jodstoffwechsel und Einflüsse auf Erkrankungen der Schilddrüse. Ernährungs Umschau. 62(12): M694–703. Im Internet: www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2015/12_15/EU12_2015_M694-M703.pdf, Zugriff vom 11.10.2023

Gärtner R, Remer T, Schöne F, Großklaus R, Thamm M, Schwind D (2021). Jod – ein essenzielles Spurenelement in der Dauerkritik. Ernährungs-Umschau. 68(12): M702-M711. Im Internet: https://jodmangel.de/wp-content/uploads/2022/03/Sonderdruck_Special_Jod_web.pdf, Zugriff am 11.10.2023

Koletzko B, Cremer M, Flothkötter M, Graf C, Hauner H, Hellmers C, Kersting M, Krawinkel M, Przyrembel H, Röbl-Mathieu M, Schiffner U, Vetter K, Weißenborn A, Wöckel A (2018). Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft – Handlungsempfehlungen des bundesweiten Netzwerks Gesund ins Leben. Geburtsh Frauenheilk 78(12): 1262–1282. DOI: doi.org/10.1055/a-0713-1058

Statista (o.D.). Definition Normalverteilung. Im Internet: https://de.statista.com/statistik/lexikon/definition/95/normalverteilung, Zugriff vom 11.10.2023

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