Mit Kompetenz vor Ort gegen Ernährungsarmut

Gutes Praxisbeispiel vom Deutschen Ernährungstag

Bei einem Kochkurs schneidet eine Person mit einem großen Messer eine rote Zwiebel auf einem Holzbrett. Im Hintergrund sieht man andere Personen beim Schneiden von Lebensmitteln. © africa studio – stock.adobe.com

(BZfE) – Wie erreicht man Menschen in prekären Lebenssituationen, die durch Ernährungsarmut gefährdet sind? Man trifft sie bei Stadtteiltreffs, den Tafeln, in Jugend- und Familienzentren, bei Sprachkursen oder Seniorengruppen. Aber was benötigen sie? Und was brauchen die dort tätigen Teams aus ehrenamtlichen und hauptberuflichen Mitarbeitenden, damit Ernährungskompetenz praxisnah und nachhaltig vermittelt werden kann? 

Diese Fragen stellte sich das INFORM-Verbundprojekt „Gesund und nachhaltig essen mit kleinem Budget“ der Verbraucherzentralen und der Europa-Universität Flensburg, das noch bis 2027 läuft. Die Antwort ist: Niedrigschwellige Bildungsformate, die individuell und in verschiedenen Settings einsetzbar sind. Zehn solcher qualitätsgesicherter Ernährungsinformations- und -bildungsformate werden derzeit entwickelt und erprobt, sodass sie Multiplikatoren und Multiplikatorinnen zur Verfügung gestellt werden können. Das Projekt wurde auf dem 2. Deutschen Ernährungstag Anfang Juni 2025 in Berlin vorgestellt.

Es werden erprobte Konzepte zum Thema Ernährung aus der langjährigen Verbraucherarbeit weiterentwickelt und neue Formate sollen hinzukommen, die sich speziell an Menschen mit kleinem Budget richten. Das Ganze wird wissenschaftlich evaluiert und gemeinsam mit den Zielgruppen entwickelt. Die Angebote beinhalten etwa Einkaufstrainings, mobile Mitmachküchen, Kochaktionen, spielbasierte Lernmethoden oder gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Im Mittelpunkt steht das Empowerment: Menschen zu stärken, statt sie zu belehren – durch Mitmachen, Ausprobieren, Peer-Learning und Freude am Kochen.

Denn Armut ist häufig mit Scham behaftet und auf den ersten Blick nicht offensichtlich. Geringe finanzielle Mittel bedeuten wenig Geld für eine gesunde und nachhaltige Ernährung für die ganze Familie. „Menschen aus prekären Verhältnissen sind oft unsicher, wie man sich gesund ernähren kann“, formulierte es Prof. Ulrike Johannsen von der Universität Flensburg. „Ernährung ist aber mehr als Nährstoffaufnahme. Sie steht für Gemeinschaft, Würde und Zugehörigkeit und somit für körperliche Gesundheit und soziale Teilhabe gleichermaßen.“

Zentraler Faktor für den Erfolg sei die Zusammenarbeit mit handelnden Personen vor Ort aus dem Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich. Als wichtige Brückenbauer mit Erfahrung und Zugang zu der Zielgruppe seien sie unverzichtbar. Ein weiterer Erfolgsfaktor sei die Verbindung von Ernährungskompetenz mit sozialer Inklusion, so Johannsen. „Wenn Menschen selbst aktiv werden - etwa beim Kochen - oder anderweitig partizipativ integriert werden, stärken sie eigene Ressourcen und erfahren Teilhabe. Wer die Rahmenbedingungen mitgestalten kann, erlebt Selbstwirksamkeit – und das wirkt weit über den Tellerrand hinaus. Mit Erfolgen für Individuum und Gesellschaft.“ 

Der Bedarf sei viel größer als anfangs gedacht, fasste Johannsen zusammen: „Deshalb ist es uns so wichtig, Menschen dabei praktisch zu unterstützen, ihren Ernährungsalltag selbstbestimmt, gesund und günstig zu gestalten und das Ganze zudem wissenschaftlich zu begleiten.“

Astrid Donalies, bzfe.de

Weitere Informationen:

BZfE: Wege zu gutem Essen für Kinder und Jugendliche – Vernetzung und Praxiswissen beim 2. Deutschen Ernährungstag

Verbraucherzentralen: Gesund essen mit kleinem Budget 

Verbraucherzentrale: Projektflyer

BZfE: Gesund und nachhaltig essen mit kleinem Budget

BZfE: Mehr Kinder für kostenfreies Schulmittagsessen gewinnen

BZfE: Günstig und gesund einkaufen

(Bildquelle: © africa studio – stock.adobe.com)