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Buchrezension von Melanie Kirk-Mechtel, Bonn

Suppenausgabe
kuarmungadd / stock.adobe.com

In Band 38 der Reihe „Regensburger Schriften zur Volkskunde/Vergleichenden Kulturwissenschaft“ des Waxmann Verlags haben die Herausgebenden Gunther Hirschfelder und Sarah Thanner zehn Fallstudien zusammengestellt, die die Wechselwirkung zwischen prekären Lebensverhältnissen und der Ernährung aufzeigen. Ausgangspunkt für die Publikation war ein Projektseminar mit dem Titel „Prekäres Essen. Strategien der Ernährung unter Bedingungen begrenzter Budgets“ an der Uni Regensburg.

Das alltägliche Ernährungshandeln und die Kommunikation rund um die Ernährung sind Indikatoren für soziokulturelle Befindlichkeiten. Und so geben die qualitativen Interviews im Sammelband Aufschluss über den Umgang mit finanzieller Armut, Planungsunsicherheit und psychischer Belastung sowie deren Einfluss auf das Essverhalten der Befragten. Sie machen die emotionalen Folgen deutlich, die sozialer Abstieg, Bedürftigkeit und damit einhergehende Konsumeinschränkungen mit sich bringen. Dabei treten Gesundheits- und Nachhaltigkeitsaspekte des Essens stark in den Hintergrund. Egal, ob „arme“ Studentin, Wohnungsloser oder Frührentner – eine ausgewogenere Ernährungsweise verschieben alle Befragten in eine ungewisse Zukunft: Gegenbilder eines gesunden Lebensstils werden „in eine imaginäre Zukunft ausgelagert, auf die jedoch aufgrund des krisenhaften Lebenszusammenhangs nicht konkret hingearbeitet wird, sondern die vielmehr als fiktiver Sehnsuchtsort zum Ausdruck kam“, schreibt Mitherausgeberin Sarah Thanner in ihrer Conclusio.

Wie die Interviews zeigen, wird vor allem der Verlust eines normalen Alltags in hohem Maße über das tägliche Essen verhandelt und kommunikativ vermittelt. So dienen zum Beispiel kompensatorische Handlungen – gesteigerter Genussmittelkonsum, fett- und zuckerreiche Lebensmittel – den Befragten als Ventile mit psychologischer Belohnungsfunktion, als emotionaler Anker. Außerdem wird deutlich, dass individuelle Ernährungsstrategien stark biografisch und vor allem familiär geprägt sind. Der Ernährungssozialisation kommt damit eine bedeutende Rolle zu. Die Publikation liefert wichtige Einblicke, die sich auch für die Beratung von Menschen in prekären Lebenslagen nutzen lassen.

Prekäre Lebenswelten im Prisma der Ernährung

Regensburger Schriften zur Volkskunde/Vergleichenden
Kulturwissenschaft, Band 38
Gunther Hirschfelder, Sarah Thanner (Hrsg.)
Waxmann Verlag
248 Seiten
ISBN 978-3-8309-4070-8

Preis: 34,90 Euro

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