- Der studierte Öko-Agrarmanager Moritz Bor plädiert für eine Senkung des Fleischkonsums, aber auch einen Weg der Verständigung und Toleranz.
- Er betont, dass die Leistung von Landwirtinnen und Landwirten mehr Wertschätzung verdient – egal, ob sie konventionell oder ökologisch arbeiten.
- In der Pilot-Folge zum Podcast „Foodsteps“ erzählt Moritz Bor, wie sich seine Haltung zu tierischen Lebensmitteln mehrfach geändert hat und welche Rolle eine umweltverträgliche, heimische Tierhaltung dabei spielt.
Für mehr Offenheit und Toleranz
Wie kommt ein Mensch nach Jahren veganer Ernährung dazu, wieder Fleisch zu essen und es später sogar zu vermarkten? Unter welchen Bedingungen kann er das mit seinem Wissen und Gewissen vereinbaren? Darum geht es im Gespräch zwischen Moritz Bor und Radio-Moderatorin Insa Backe.
Sein Weg zum Veganer war klassisch für seine Generation: Eine neue WG mit einem Mitbewohner, der ihn mit zig Argumente zum Veganismus gebracht hat. Vier Jahre lebte Moritz Bor streng vegan. Umso überraschender war sein Weg zurück. Er wurde durch mehrere Schlüsselerlebnisse ausgelöst: den Aufenthalt auf einem Gemüsebetrieb in Südfrankreich, zu dem auch zwei Schweine gehörten; einem besonderen Essen im Sterne-Restaurant; einem Projekt zur Arterhaltung für Wasserbüffel in der Ukraine.
Doch einfach so ändert niemand einen Ernährungsstil, von dem er viele Jahre überzeugt war. „Veganismus ist ja auch enorm identitätsstiftend”, sagt Moritz Bor. Deswegen sind die Fronten zwischen Menschen, die Tiere oder tierische Lebensmittel ablehnen, und denjenigen, die nicht auf Fleisch verzichten möchten, oft so verhärtet. Umso wichtiger ist es Moritz Bor, für einen Weg der Verständigung und Toleranz, für Gesprächsbereitschaft und einen wirklich offenen Meinungsaustausch zu werben.
Öko-Agrarmanager und Familienmensch
Moritz Bor hat an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) Öko-Agrarmanagement studiert. Er hat gelernt, wie man landwirtschaftliche Betriebe und Betriebe der Ernährungswirtschaft nachhaltig führt und weiterentwickelt.
Was Toleranz bedeutet, erfuhr er eigentlich schon als Kind, denn seine Mutter richtete sich nach den Gewohnheiten und Bedürfnissen ihrer fünf Kinder. Sie kochte mal mit Fleisch, mal vegetarisch und auch noch glutenfrei für die Schwester mit Zöliakie. Trotzdem war Moritz Bor während seiner veganen Jahre alles andere als tolerant. Er war überzeugt, dass sein Lebensstil der einzig richtige ist. Das änderte sich erst über viele Jahre: durch eine ehrliche Bereitschaft, die Bedürfnisse anderer anzuerkennen; durch tiefere Einblicke in eine verantwortungsvolle Tierhaltung und durch neues Wissen, wie tierische Lebensmittel in Maßen Teil einer nachhaltigen Ernährung sein können.
Heute wünscht sich Moritz Bor, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, in Ruhe über seinen Ernährungsstil nachzudenken. Das lebt er auch in seiner Patchwork-Familie mit Partnerin und drei Kindern am Stadtrand von Berlin. Sein persönlicher Stil schließt heute wenig, aber gutes Fleisch aus ökologischer, regionaler Tierhaltung mit ein.
Bio-Rind aus Weidetierhaltung
Industrielle Tierhaltung und der viel zu hohe Fleischkonsum in westlichen Gesellschaften belasten Umwelt und die Grenzen unsere Erde. Das sei den meisten Menschen heute bewusst, sagt Moritz Bor in seinem Podcast-Beitrag. Ist Fleisch essen mit gutem Gewissen also heute überhaupt noch möglich? Ja, meint Moritz Bor, wenn die Bedingungen stimmen. Deshalb hat er selber eine Zeit lang Fleisch aus einer Tierhaltung vermarktet, die art- und umweltgerecht ist. Für Rindfleisch kann das eine regionale und ökologische Weidetierhaltung sein.
Besonders wichtig ist aber auch, dass nicht nur edle Teile wie Filet oder Keule gegessen werden, sondern das ganze Tier. Was früher selbstverständlich war, setzt sich heute langsam wieder unter dem Begriff „from nose to tail” durch. Wenn das ganze Tier genutzt wird, muss weniger Fleisch erzeugt werden und es fallen weniger Abfälle an. Auch dafür hat sich Moritz Bor während seiner Arbeit für die Marktgesellschaft der Naturlandbauern AG eingesetzt. Grundsätzlich ist er überzeugt, dass heimische Betriebe Teil einer Klimalösung sein müssen. Was die möglichen Wege dorthin angeht, rät er auch hier zu Toleranz, Offenheit und echter Gesprächsbereitschaft.
Zur Foodsteps-Folge mit Moritz Bor
Die Episode mit Moritz Bor und Insa Backe war der Pilot für den neuen BZfE-Podcast „Foodsteps”. Sie wurde bereits im Dezember 2024 veröffentlicht, hat aber nichts von ihrer Aktualität verloren.
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Weichenstellung in Mensen und Kantinen
Moritz Bor wünscht sich, dass alle Kinder einmal am Tag ein warmes, hochwertiges Essen bekommen. Sie sollten auch Zugang zu Bio-Fleisch haben. Das ist seiner Erfahrung nach in vielen Familien nicht selbstverständlich. Er sieht eine große Chance und Verantwortung in der Gemeinschaftsverpflegung: „Weniger Fleisch in öffentlicher Außer-Haus-Verpflegung, aber dafür Besseres und für die Gesamtheit der Kinder oder Jugendlichen verfügbar.” Das mag einfach klingen, hängt aber in der Praxis von vielen Faktoren ab – natürlich auch vom Geld.
Berlin übernimmt mit einem kostenlosen Mittagessen in Grundschulen bereits eine Vorreiterrolle. Doch auch hier sieht Moritz Bor noch „Luft nach oben”. Denn oft erlaubt es die Kostenkalkulation der Caterer nicht, hochwertige Lebensmittel einzukaufen.
Viele Wege führen zu einer guten Landwirtschaft
Moritz Bor weiß um die enorme Leistung, die jeder Landwirt und jede Landwirtin täglich aufbringt, um gute Lebensmittel zu produzieren – unabhängig davon, ob sie ökologisch oder konventionell arbeiten. Zwar wirbt er aus Überzeugung für eine ökologische Bewirtschaftung mit Blick auf Umwelt und Klima, doch er weiß auch: Eine Umstellung auf Bio gelingt nur, wenn genügend Nachfrage für Bio-Lebensmittel da ist. Er betont aber auch, dass den konventionellen Landwirtinnen und Landwirten die Bodengesundheit und -fruchtbarkeit genauso am Herzen liegt und sie durchaus regenerative Effekte erzielen. Sein Fazit: „Es gibt viele Bausteine, die konventionelle Betriebe heute schon anwenden oder zukünftig noch vermehrt anwenden können.”
Podcast „Foodsteps: Nachhaltigkeitsstorys aus dem Bundeszentrum für Ernährung”
Auf der BZfE-Seite Podcast geht es direkt zu allen sechs Folgen der ersten Staffel. Sie finden sich außerdem auf allen gängigen Podcast-Plattformen.

