TikTok trifft auf Wissenschaft

Brokkoli: Gesünder durch Liegenlassen?

Männerhände schneiden mit einem Messer einen Brokkoli auf einem Holzbrett. © kucherav – stock.adobe.com

(BZfE) – Eine Influencerin für Langlebigkeit empfiehlt auf TikTok: „Lasst Brokkoli immer 40 Minuten lang liegen, bevor ihr ihn kocht.“ Sie erklärt dazu ausführlich und chemisch korrekt: „Brokkoli enthält besonders viel Glucoraphanin, eine Vorstufe vom Sulforaphan, einem sekundären Pflanzenstoff mit antioxidativen Eigenschaften. Sulforaphan wird aber erst gebildet, wenn wir den Brokkoli schneiden oder kauen.“ Und weiter: „Denn dann kommt zum Glucoraphanin das Enzym Myrosinase dazu und Sulforaphan entsteht. Myrosinase ist hitzeempfindlich und wird beim Kochen zerstört. Deshalb solltet ihr den Brokkoli in viele kleine Stücke schneiden und 40 Minuten lang liegen lassen und erst danach kochen. Sulforaphan ist nämlich nicht hitzeempfindlich.“ Diese Aussage verbreitet sich derzeit in den sozialen Medien. Aber stimmt sie auch?

Genau das hat eine chinesische Studie untersucht. Dafür wurde Brokkoli mit drei verschiedenen Techniken zubereitet und auf den Sulforaphangehalt getestet: Bei der ersten Gruppe handelte es sich um rohen Brokkoli, bei der zweiten wurde der Brokkoli kleingeschnitten, liegen gelassen und anschließend gebraten und bei der dritten Gruppe direkt gebraten. Die Gehalte an Sulforaphan waren in rohem Brokkoli am höchsten (2,6-fach so hoch wie in direkt gebratenem), dicht gefolgt von dem Brokkoli, der erst liegen gelassen wurde, und am geringsten beim direkt gebratenen. 

Damit bestätigt die Studie den TikTok-Trend, oder? Jein. In der Studie wurde der geschnittene Brokkoli 90 Minuten, nicht 40 Minuten lang liegen gelassen. Wie die Sulforaphangehalte nach einer kürzeren Zeitspanne aussehen ist also unbekannt. Außerdem wurde der Brokkoli in der Studie in zwei Millimeter kleine Stücke zerkleinert, davon wird bei TikTok nicht gesprochen. Der Zubereitungsaufwand ist sehr groß und der Geschmack ein ganz anderer, als wenn Brokkoli in Röschen verzehrt wird. Wird er weniger zerkleinert, ist der Sulforaphangehalt wahrscheinlich geringer.

Sollten man der TikTok-Empfehlung also folgen? Philine Lenz vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) ordnet ein: „Brokkoli so stark zu zerkleinern und liegen zu lassen, um die Gehalte eines Stoffes in die Höhe zu treiben – von dem unbekannt ist, wieviel wir davon benötigen – ist ein zu starker Fokus auf einen sehr kleinen Aspekt der Ernährung. Wichtiger ist das große Ganze im Blick zu behalten, nämlich bunt und abwechslungsreich zu essen, um möglichst viele verschiedene Nährstoffe und auch sekundäre Pflanzenstoffe aufzunehmen.“ Es gibt jedoch keinen konkreten Bedarf an sekundären Pflanzenstoffen wie Sulforaphan. Ihr Beitrag zu einer gesunden Ernährung ist nicht zu verachten, allerdings sind genaue Wirkweisen und die Mengen, die unsere Körper benötigen, bisher noch nicht ausreichend erforscht und bekannt.

Üblicherweise empfiehlt das BZfE, Obst und Gemüse nicht lange an der Luft stehen zu lassen, vor allem nicht kleingeschnitten, da es durch den Kontakt zum Luftsauerstoff und die Zerkleinerung der Zellen zu Oxidation und Enzymaktivität kommen kann. Lenz ergänzt: „Selbst, wenn es im Fall Sulforaphan positiv ist, gibt es im Brokkoli noch viele andere Vitamine und Mineralstoffe deren Gehalte sich durch das lange Liegenlassen verringern können.“ Generell ist es gut, zwischen rohem und gekochtem Gemüse abzuwechseln. Das trifft auch für Brokkoli zu. Es gibt also nach aktuellem wissenschaftlichen Stand keinen Grund, das eigene gewohnte Brokkolirezept zu ändern.

Julia Seeher, www.bzfe.de 

Weitere Informationen:

BZfE: Senfölglykoside im Kohlgemüse

BLE: Blumenkohl und Brokkoli